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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Rebeca fort.
    »Wie?«
    »Wir müssen dafür sorgen, dass nicht nur in den großen Textilfabriken gestreikt wird, sondern auch in den Schneidersalons. Wir müssen die Näherinnen aufhetzen!«
    Rebecas grüne Augen glitzerten. In der Ferne waren erst Schritte zu vernehmen, dann Schwester Adelas Nörgeln, als sie fragte, wo Victoria denn bliebe.
    Rasch schloss Victoria den Medikamentenschrank.
    »Also – bist du dabei?«
    Victoria zögerte, sie fühlte sich nach den vielen Stunden Dienst unendlich erschöpft. »Was ist mit Jiacinto und Juan?«, fragte sie.
    »Du kennst Juan. Wann kriegt der schon seinen Arsch hoch? Aber Jiacinto macht natürlich mit.«
    Sie grinste herausfordernd. Victorias Müdigkeit ließ schlagartig nach.
    »Ich helfe euch. Was immer ich tun muss …«

    Alicia erklärte oft mit einer Mischung aus Schadenfreude und Gleichgültigkeit, dass die Schwangerschaft eine Zeit des Leidens für jede Frau sei, die diese irgendwie ertragen müsste. Als sie von der frohen Nachricht erfuhr, beschwor sie alle Arten des Unwohlseins, die auf Aurelia zukommen würden, doch Woche und Woche verging – und Aurelia fühlte sich bestens. Anfangs hatte sie mit Schwindel zu kämpfen gehabt, war jedoch kein weiteres Mal ohnmächtig geworden. Von der Übelkeit blieb sie gänzlich verschont, nur ganz wenige Speisen bereiteten ihr Ekel, und als ihr Bauch zu wachsen begann, fühlte sie sich kraftvoll wie nie. Alicia drängte sie dazu, die meisten Stunden im Bett liegen zu bleiben – es sei ihr gutes Recht, sich auszuruhen –, aber wenn ihr irgendetwas Qualen bereitete, so nicht beschworene Erschöpfung, sondern unerträgliche Langeweile.
    Gewiss, sie genoss es, von Tiago verwöhnt zu werden, der ihr jeden Morgen heiße Schokolade, Mandelmilch oder Lindenblütentee ans Bett brachte, aber danach hätte sie die Tage am liebsten so verbracht wie jede junge, gesunde Frau, die vor Leben strotzte und einfach nicht als Krankheit empfinden konnte, was ihr als das Natürlichste der Welt erschien.
    Die Ängste, die sie dann doch die meiste Zeit im Bett hielten, galten darum weniger dem Kind oder dem eigenen Befinden, sondern der Möglichkeit, entlarvt zu werden. Alicia ging offenbar davon aus, dass die Frauen der Oberschicht an ihrer Schwangerschaft litten, und dass sie es zu wenig tat, konnte womöglich als Zeichen gewertet werden, dass sie keine solche war. Und Saqui, die sie mittlerweile wieder häufig freundlich anlächelte – vermutete sie etwa, dass es ihr Mapuche-Erbe war, das ihr die Schwangerschaft so leicht machte?
    Die Angst raubte ihr weitaus mehr Kräfte als die Veränderungen im Körper. Die Blicke der beiden Frauen lösten oft solche Panik in ihr aus, dass es nicht immer gespielt war, wenn sie schmerzvoll ihr Gesicht verzog oder so langsam und schleppend ging, als wären ihre Glieder gelähmt. Sie verzichtete auf Kutschfahrten und Spaziergänge und begnügte sich, manche Stunde im Patio zu verbringen, wo ein kleiner Brunnen plätscherte und vom Garten her liebliche Düfte wehten – nach Kamelien, Zwergorangen, Rosen oder Dahlien.
    Immerhin – solange sich ihr wachsender Bauch noch gut hinter dem feinen Stoff ihrer Kleider verbergen ließ, war selbst Alicia der Meinung, dass sie sich der einen oder anderen gesellschaftlichen Pflicht nicht entziehen konnte. In Alicias Augen war auch das ein Opfer – für Aurelia hingegen eine willkommene Ablenkung, wenn sie am Abend oder Wochenende an Empfängen oder Maskenbällen, Tänzen oder Theateraufführungen teilnahmen. Auf Feuerwerke sollte sie zwar verzichten, mahnte Alicia, denn der Lärm könnte dem Kind schaden, und auch Paraden und Pferderennen wurden als zu gefährlich bewertet, aber Oper und Konzerte musste sie nicht meiden.
    Aurelia fühlte sich bei diesen Anlässen zwar beobachtet und fand es manchmal mühsam, ganze Abende lang fremden Menschen vorgestellt zu werden, Hände zu schütteln, stets zu lächeln und über schöne Kleider zu reden. Aber sie genoss es, so viel Zeit wie möglich an Tiagos Seite zu verbringen, den sie tagsüber so gut wie nie sah – obwohl sie meist keine Gelegenheit hatten, miteinander zu reden.
    Wenn sie später dann endlich mit ihm allein war, waren sie oft beide erschöpft von diesen nichtigen Konversationen. Sie lagen schweigend im Bett, hielten sich oder liebten sich, und jedes Mal bedauerte es Aurelia, wenn er sich von ihr löste und in sein eigenes Zimmer ging, wie es die Gesetze seiner Klasse vorsahen. In ihrem Himmelbett

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