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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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sondern man mit ihm zu feilschen hatte: Für alles, was man bekam, musste man einen Preis zahlen – und Aurelia bezahlte den Reichtum mit ihrer Lebendigkeit, Tiago mit der Überzeugung, dass ein wenig Trotz genügte, um an seine Ziele zu kommen.
    »Tiago, ich bitte dich …«
    Ehe er fortfahren konnte, legte Aurelia die Hand auf die ihres Mannes. »Tiago«, setzte sie flehentlich an, »er ist doch dein ältester Freund … Du musst vergessen, was passiert ist. Es war ja auch nicht weiter schlimm …«
    Täuschte er sich, oder wurde sie noch um einen Ton blasser? In jedem Fall sah er, dass Schweißtropfen auf ihrer Stirn glänzten und ihr perfektes Äußeres zerstörten.
    »Ich kann vergessen, wie du dich Aurelia gegenüber verhalten hast«, knurrte Tiago, »aber wie soll ich vergessen, was du mir vorgeworfen hast? Dass ich nämlich ein reicher, verwöhnter Sohn sei, der zu nichts taugt.«
    Andrés presste seine Lippen aufeinander. Was hätte er auch sagen können, was nicht nach Heuchelei geklungen hätte? Er glaubte immer noch, dass es stimmte, was er ihm vorgeworfen hatte – und er war sich sicher: Tiago glaubte es auch.
    Aurelia presste sich kaum merklich an Tiago. »Wenn du die Hand ausschlägst, die er dir reicht, dann gibst du zu, dass dieser Vorwurf stimmt.«
    »Aber …«
    Andrés sah, wie es hinter Tiagos Stirn arbeitete. Vor allem aber sah er, wie Aurelia noch blasser wurde. Etwas anderes musste das bewirken als bloße Erschöpfung. Litt sie an einer Krankheit oder …?
    Andrés hatte nicht viele Erfahrungen mit Patienten gemacht, doch während seines Medizinstudiums einen untrüglichen Instinkt entwickelt.
    Auch Tiago schien zu merken, dass es ihr nicht gutging. Er nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände, musterte es besorgt. »Aurelia, was hast du denn?«
    Sie wollte etwas sagen, schnappte jedoch nur nach Luft und sank gegen seine Brust. Hätte er sie nicht gehalten, wäre sie wohl zu Boden gefallen – so aber fing er sie auf und trug sie schnell zur Chaiselongue.
    Ungefragt eilte Andrés zu ihm, griff nach ihren Beinen und hob sie hoch. »Wir müssen ihre Füße hochlagern, sonst wird sie ohnmächtig! Und sie braucht etwas zu trinken!«
    Die Sorge um die Frau war größer als seine Empörung, dass Andrés sie zu berühren wagte. »Was hat sie denn nur?«, stieß er sorgenvoll aus.
    Andrés zögerte. Es stimmte ihn verdrießlich, dass er Tiago sogleich unendlich glücklich machen würde. Allerdings hatte es auch sein Gutes, dass er die frohe Botschaft aussprach. Eine Versöhnung war dann unumgänglich.
    »Ist sie krank?«, rief Tiago.
    »Nein, sie ist nicht krank«, erwiderte Andrés und zwang sich zu einem Lächeln, »ich denke, sie ist guter Hoffnung …«

17. Kapitel
    V ictoria wurde einmal mehr misstrauisch von Schwester Adela beäugt. Obwohl ihr bei der Behandlung von Patienten noch nie ein schwerer Fehler unterlaufen war, überprüfte diese stets, ob sie auch wirklich wusste, was sie tat – und war es nur, einer Frau mit Halsschmerzen etwas Boraxhonig einzuträufeln.
    Eben standen sie vor einer weiteren Patientin, die ganz offensichtlich an Wassersucht litt – und Adela hoffte wohl, sie endlich einmal bloßstellen zu können, weil sie nicht aufhörte, nachzubohren.
    »Was sind die Symptome für Wassersucht?«, fragte sie streng.
    »Der Patient ist müde, der Bauch stark aufgetrieben, das Gesicht blau verfärbt, weil zyanotisch«, erklärte Victoria.
    »Was hat der Arzt wohl verschrieben?«
    Victoria unterdrückte ein Gähnen. Wie so oft in den letzten Monaten war sie ständig übermüdet – tagsüber arbeitete sie im Krankenhaus, abends stand sie oft an der Druckerpresse, gefolgt von durchwachten Nächten bei den Carrizos, wo bis zur Morgendämmerung über den Sozialismus oder Liberalismus oder Konservativismus diskutiert wurde.
    »Wassersucht ist eine Nierenerkrankung und wird durch mangelhafte Ernährung hervorgerufen«, murmelte sie.
    »Das habe ich nicht gefragt!«, rief Adela befriedigt. »Ich wollte wissen, was der Arzt verschrieben hat!«
    Den Gefallen, ihr eine Antwort schuldig zu bleiben, wollte ihr Victoria trotz der Müdigkeit nicht tun.
    »Es gibt mehrere Möglichkeiten«, antwortete sie mechanisch. »Er kann eine subkutane Ätherinjektion verabreichen oder Infusum digitalis. Oder vier Löffel Calomelpulver. Auch eine äußere Behandlung ist möglich – indem man die Patientin mit Olivenöl abreibt, was zu einem vermehrten Harnabgang führt.«
    Schwester Adela

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