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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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zurück.
    Er deutete auf ihre Tasche. »Befindet sich da drin noch mehr, was ich brauchen könnte?«
    Sie zuckte die Schultern, bückte sich nach der Tasche und begann den Inhalt auszuräumen. »Hier habe ich Aspirin, das kennen Sie doch, oder? In Santiago setzt man es häufig ein. Natürlich nicht in diesem Fall – die Frau könnte verbluten.«
    »Wenn ich etwas Schmerzstillendes brauche, benutze ich Weidenrinde wie die alten Griechen. Weiter!«
    »Hier sind ein paar Pflaster, eine Jodtinktur, Augentropfen, Kohletabletten, Tropfen gegen Ohrenschmerzen. Ach ja – und eine feine Darmnadel mit einem Faden aus karbolisierter Seide. Das nützt uns im Moment alles nichts.«
    »Aber künftig werde ich es gut brauchen können«, meinte er nachdenklich. »In meinem Koffer habe ich nur Dynamit und …«
    »Dynamit?«, fragte sie erstaunt.
    »Ja, damit werden verfaulte Zähne gefüllt, und nach und nach zerbröckelt der Zahn, bis man ihn ausspucken kann.«
    Victoria verzog angewidert das Gesicht.
    »Außerdem habe ich ein paar Schröpfköpfe, ein Skalpell und das hier …«
    Er griff nach einem Gegenstand, und Victoria erkannte, dass es eine Art Zange war. Ob sie vor Verwendung fachmännisch desinfiziert worden war – auf der chirurgischen Abteilung im Krankenhaus hatte man es mit Chlorzink getan –, bezweifelte sie.
    »Das Kind war schon sehr groß. Und zu allem Überfluss hat sie mit der Bambusrute noch weiter in ihrem Leib gestochert, als die Blutung schon einsetzte, und das Kind auf diese Weise zerstückelt. Wenn wir nicht alle Teile aus ihr herausbekommen, wird das ihren Körper vergiften.«
    Falls er sie mit den schonungslosen Worten absichtlich schockieren wollte, um sie zu prüfen, gelang ihm das nicht. Victoria trat an das Kopfende der Pritsche, packte die Beine der Frau an den Kniekehlen und zog sie auseinander, damit Salvador besser arbeiten konnte.
    Die Unglückselige schrie einmal auf, verstummte dann aber. Immer mehr Blut quoll aus ihrem Leib, und Victoria ließ ihre Beine wieder los, zog hastig den Unterrock aus und riss ihn in Fetzen. Diese tauchte sie in die Jodtinktur, um damit immer wieder neu das Blut zu stillen, sobald der Arzt eine kurze Pause machte.
    Cortes sah ihr anerkennend dabei zu, sagte jedoch nichts.
    »Hier ist es so heiß«, stellte sie nüchtern fest, »da kann ich doch froh sein, so wenig wie nur möglich am Leib zu tragen.«
    Fortan kämpften sie schweigend um das Leben der Frau.
    Einmal steckte eine der anderen Prostituierten den Kopf in die Hütte. »Kinder, die abgetrieben werden, verwandeln sich zu duendes «, keifte sie. »Das sind bösartige Wesen, die vom Teufel selbst erzogen werden. Wir alle haben darunter zu leiden.«
    Victoria konnte sich schwer vorstellen, dass irgendeine dieser Frauen noch keine Abtreibung hinter sich hatte.
    »Wenn sie das Kind geboren hätte, würde es die ganze Nacht schreien und ihr weit mehr darunter leiden«, gab Salvador zurück.
    Die Frau runzelte die Stirn, ehe sie zugab: »Da haben Sie auch wieder recht.«
    Wortlos verschwand sie wieder nach draußen, ohne zu fragen, ob die andere überleben würde.
    Victoria konzentrierte sich erneut ganz und gar auf ihre Patientin. Sie vergaß die unerträgliche Hitze, sie vergaß zum ersten Mal seit langem auch, an Jiacinto und Rebeca zu denken. Die Welt, in die sie geraten war, war armselig und stickig und erbärmlich, aber hier, das erkannte sie nun schon am ersten Tag, konnte sie die sein, die sie immer hatte sein wollen: eine, die zupackte. Eine, die den Menschen half.

    Die Frau überlebte an diesem Tag – ob sie allerdings auch die Nacht überstehen würde, war fraglich, wie Cortes schulterzuckend feststellte. Offenbar hatte er zu viele Frauen elendiglich zugrunde gehen sehen, um noch sonderlich Mitleid zu haben. Dennoch wollte er sichergehen, dass sie gut versorgt war, und fragte die Frauen, die vor der Hütte warteten, wer sich in der Nacht um sie kümmern könnte.
    Als keine antwortete, wurde sein Gesichtsausdruck streng. »Eine muss bei ihr bleiben«, erklärte er. »Wenn es kalt wird, dann muss man sie zudecken. Macht ihr einen Tee, damit sie genügend trinkt, und kühlt ihr die Stirn, wenn sie Fieber hat.«
    Immer noch antwortete ihm nur Schweigen.
    Cortes seufzte. »Ich kann nicht alles allein tun. Heute brauche ich eure Hilfe – morgen braucht ihr vielleicht meine. Ich sage sie euch jetzt schon zu, wenn ihr der Armen da drinnen beisteht. Das ist doch ein gutes Geschäft, nicht

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