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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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einen blieben bei ihr, die anderen eilten davon. Einer reichte ihr den Poncho, um den Verletzen darauf zu betten, doch sie wagte nicht, ihn zu bewegen, sondern machte den Poncho lediglich an einem Stück Holz fest, um dem Verletzten auf diese Art Schatten zu spenden.
    Sein Atem ging immer flacher, und sie verging vor Angst, dass es viel zu lange dauern würde, Salvador hierherzubringen – war sie vorhin nicht Ewigkeiten unterwegs gewesen?
    Doch alsbald sah sie die Männer wiederkehren, den Doktor in ihrer Mitte – was bedeutete, dass sie die ganze Zeit über im Kreis gegangen war, die Mine weit näher lag als vermutet, vor allem aber, dass sie nun nicht mehr allein die Verantwortung für den Schwerverletzten trug.
    Der Streit mit Salvador war längst vergessen. Erleichtert sprang sie auf, stürzte auf ihn zu und berichtete mit wenigen Worten, was geschehen war.
    »Ich verstehe nicht, wie man einen so schwer verletzten Mann einfach hier liegen lassen kann!«, schloss sie.
    »Wer immer einen Grund gehabt haben mag, ihn zu verletzen, wird ihn aus gleichem Grund nur allzu gerne im Stich gelassen haben«, murmelte Salvador, kniete sich neben den Mann und begann nun seinerseits, behutsam die Kopfwunde zu untersuchen.
    Die Blutung hatte etwas nachgelassen, doch jäh verkrampfte sich der Körper und zuckte. Die Augen, eben noch zu Schlitzen zusammengepresst, öffneten sich und verdrehten sich ins Weiße.
    »Verdammt!«, knurrte Salvador.
    Er kramte in der mitgebrachten Tasche, schob dem Mann irgendetwas in den Mund, was nach getrockneten Kräutern aussah, und presste seine Kiefer zusammen.
    »Was machst du denn?«, fragte Victoria.
    »Das ist Kautabak. Für gewöhnlich wird er eingesetzt, um Krämpfe nach dem Operationsschock zu mindern – wenn es sonst keine Möglichkeit gibt, den Kranken zu betäuben. Vielleicht nützt es auch bei dieser Art von Krämpfen.«
    Von solchen Behandlungsmethoden hatte Victoria noch nie gehört, allerdings hatte sie längst gelernt, dass man hier auf die ungewöhnlichsten Mittel zurückgreifen musste.
    Die Krämpfe ließen nach, schlaff ruhte der Verletzte wieder auf dem Wüstensand.
    »Sein Schädel scheint nicht gebrochen«, stellte Salvador fest, »aber ich muss die Wunde nähen. Und er hat eine schwere Gehirnerschütterung. Wir müssen ihn nach Hause schaffen, die Sonne bringt ihn um.«
    »Aber wie?«, fragte Victoria.
    Salvador gab ihr keine Antwort, sondern wandte sich an die Männer. »Gebt mir all eure Ponchos!«, befahl er. »Wir legen sie übereinander und nutzen sie als Trage. Wollen wir hoffen, dass der Stoff nicht reißt.«
    Es dauerte lange, bis sie den Verletzten auf die Ponchos gehievt hatten und vier Männer diese an ihren Ecken vorsichtig anhoben. Salvador verlangte, dass sie selbst kleine Erschütterungen vermieden, was bedeutete, dass sie nur sehr langsam vorankamen. Victoria ging ihnen voraus und hielt dem Mann nach wie vor einen Poncho übers Gesicht, damit die Sonne ihn nicht traf. Sie selbst spürte die Hitze kaum. Schweiß troff zwar über ihr Gesicht und ihre Hände, aber ihr Geist war von nur einem einzigen Gedanken ausgefüllt: Das überlebt er nie, das überlebt er nie.
    Sie wusste nicht, warum dieser Gedanke sie in so große Panik versetzte, schließlich hatte sie schon viele Menschen sterben gesehen. Diesen einen aber schien ihr die Wüste förmlich vor die Füße gespuckt zu haben, und ob er überlebte oder nicht, war für sie wie ein Omen, ob sie selbst hier eine Zukunft hatte.
    Endlich erreichten sie Salvadors Heim. Die Mädchen waren gerade beim Kochen. Das hieß, Teodora war es, die Sopaipillas bereitete, indem sie Kürbisfleisch in kleine Stücke schnitt und weich kochte, diese mit Mehl und Öl zu einem Teig verknetete und ihn in dünnen Stücken in Fett briet – während Clara lediglich ihre Anweisungen befolgte und hinter ihr aufräumte und putzte. Wie immer gehorchte Clara blind, obwohl Victoria längst herausgefunden hatte, dass sie eigentlich die Flinkere und Geschicktere war. Heute war allerdings keine Zeit, darüber nachzudenken.
    Die Mädchen blickten entsetzt auf den Verwundeten.
    »Legt ihn auf den Boden!«, befahl Salvador.
    Er bewegte sich kaum mehr – ein gutes Zeichen, weil es somit keinen Hinweis auf neue Krämpfe gab, und zugleich ein schlechtes, weil Victoria sich nicht sicher sein konnte, ob er noch atmete. Salvador nickte allerdings zufrieden, als er zunächst die Hände und dann die Füße abtastete und offenbar auf die

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