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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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gar nichts«, murmelte er.
    »Ich glaube, ein großer Fortschritt hinsichtlich der Technik, Salpeter durch Wasserdampf auszulaugen, gelang einem gewissen Gamboni.«
    »Gamboni«, wiederholte der Fremde. »Das ist ein Italiener, nicht wahr?«
    »Ja«, bestätigte Victoria rasch, »hier leben Menschen aller möglichen Nationen. Du sprichst zwar akzentfrei Spanisch, aber das muss noch nichts bedeuten. Vielleicht … vielleicht bist du auch ein Ausländer. Ich kenne Deutsche, Bolivianer, Amerikaner, Engländer …«
    Er runzelte wieder die Stirn.
    »Fällt dir irgendetwas ein?«, fragte sie aufgeregt.
    »Ein Name … ich glaube, ich kann mich an einen Namen erinnern.«
    »Welcher Name?«
    Er seufzte. »Es ist, als könnte ich ihn fassen und müsste nur meine Hände ausstrecken, aber diese Hände sind wie gelähmt. Er liegt mir förmlich auf der Zunge, aber ich kann ihn nicht aussprechen.«
    Je länger er sich vergebens bemühte, desto gequälter wurde sein Gesichtsausdruck.
    Um ihn abzulenken, setzte Victoria mit ihren Erklärungen fort: »Die nächste größere Stadt von hier ist Antofagasta – der Hauptumschlagplatz für Salpeter. Von dort haben früher die sogenannten Salpetersegler abgelegt, jetzt sind es natürlich Dampfschiffe. Tausende von Hafenarbeitern schleppen den Schatz der Atacamawüste Sack für Sack in die Ladeluken der Schiffe. Die einzelnen Säcke sind extrem schwer.«
    »Antofagasta …«, echote er, »der Hafen …«
    »Kannst du dich an das Meer erinnern? Warst du jemals dort?«
    »Ich weiß nicht.«
    »In jedem Fall scheinst du keine schwere Arbeit geleistet zu haben. Deine Hände sind frei von Narben und Schwielen. Und die Kleidung, die du getragen hast, als ich dich fand, war sehr vornehm.«
    »Wie merkwürdig …«
    Das war es in der Tat. Wenn er tatsächlich vermögend war, vielleicht sogar der Besitzer einer Mine, dann müsste es doch jede Menge Menschen geben, die ihn vermissten.
    Er rieb sich die Schläfen, als gelänge es dadurch, seine Gedanken zu beschleunigen, doch es erzielte wohl nicht den gewünschten Effekt.
    »Sprich einfach weiter«, sagte er leise, »egal, was, erzähl es mir.«
    Victoria fiel kaum mehr etwas ein, was sie über den Salpeterabbau wusste. Schließlich deutete sie auf eine Gruppe von Männern. »Siehst du die Männer dort? Sie suchen neuen Salpeter. Es heißt, das Auge eines guten Salpetersuchers sei unfehlbar. Er wartet bis zum späten Nachmittag, wenn die Sonne anfängt, sich orange zu färben, dann betrachtet er die Erdoberfläche. Dort, wo sie hell glänzt, ist der Boden reich an Salpeter. Man muss dann nur ein Loch bis zu jener Schicht graben, um die Caliche auszuheben.«
    Sie wollte weitergehen, aber der Fremde war stehen geblieben, krümmte sich etwas und schlug plötzlich die Hände vor sein Gesicht, als gelte es, sich vor einem unerträglichen Anblick zu schützen.
    »Hör auf!«, rief er. »Ich ertrage es nicht länger.«
    Sie trat zu ihm, ergriff erneut sanft seine Hände, zog sie von seinem Gesicht und zwang ihn, sie anzusehen.
    »Es wird alles gut«, murmelte sie, »beruhige dich, es wird doch alles gut!«
    Sie glaubte es selbst keinen Augenblick lang. Wie sollte alles gut werden, wenn er nicht wusste, wer er war? Wie würde sie sich verhalten, wenn sie an seiner Stelle wäre, nichts wüsste von ihrer Vergangenheit, ihren Zielen, ihren Überzeugungen? Was bliebe überhaupt von ihr, wenn es nichts mehr gab, woran sie glaubte? Und an welche Menschen würde sie sich vielleicht erinnern? Vielleicht an ihre Eltern, an Valentina und Pepe oder Aurelia. Vielleicht auch an Salvador und seine Töchter, weil sie mit ihm die letzte Zeit verbracht hatte.
    Trotz der Hitze erschauderte sie – während der Fremde sich langsam zu beruhigen schien.
    »Beherrschst du noch andere Sprachen außer dem Spanischen?«, fragte er. »Sprich sie zu mir! Vielleicht erkenne ich eine!«
    Ohne Zweifel war das eine gute Idee. Victoria versuchte es auf Deutsch – die Sprache, die zu Hause stets von ihren Eltern gesprochen worden war.
    Der Fremde hörte konzentriert zu, schüttelte dann aber den Kopf. »Vielleicht habe ich das mal gehört … doch ich verstehe kaum ein Wort.«
    Victoria versuchte es mit ein paar Brocken Serbokroatisch und Italienisch, die sie hier in der Wüste gelernt hatte.
    »Nein«, er schüttelte den Kopf, »nein, ich verstehe nichts.«
    »Ich kann kein Englisch, aber vielleicht kann Salvador es.«
    Er kniff die Augen zusammen. »Der Name!«, stieß er

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