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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Nebel lag. Dieser Nebel war diesmal kein Zeichen fehlender Erinnerungen, sondern echter Nebel. Plötzlich wusste er: Er war schon einmal in London gewesen. Er wusste es, weil das Wetter damals immer schlecht gewesen war. Er konnte sich erinnern, dass er gefroren hatte.
    »Also? Was hältst du davon?«
    Kalifornien war ihm in all der Zeit fremd geblieben. Vielleicht war er gar kein Amerikaner. Vielleicht war er … Engländer.
    »Ja«, erklärte er hastig, »ich komme mit.«
    Hier war das Leben grau und würde es bleiben. Womöglich aber konnte er ausgerechnet im Londoner Nebel Farben sehen, die Schleier lüften und die Wahrheit herausfinden – die Wahrheit über sich und die unbekannte Frau, die er liebte.

Viertes Buch:
Die Farben der Liebe
    1920
    30. Kapitel
    V ictoria klammerte sich zitternd an der Reling fest. Eine Gänsehaut überzog ihre Unterarme, und sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals so gefroren zu haben wie auf dieser Reise. Im Winter war es zwar auch in der Wüste kalt, aber meist nur nachts, wo sie sich ins behagliche Haus flüchten konnte, und vor allem hatte ihr dort nie dieser eisige Wind ins Gesicht geweht. Aurelia hatte früher oft vom patagonischen Wind erzählt, aber es war etwas anderes, ihn zu spüren, anstatt nur davon zu hören. Ihre Haare peitschten auf den Rücken, und auf ihrem Gesicht verkrustete Salz, weil die Luft so feucht war.
    Auch Clara, die neben ihr stand, bebte, aber die Kälte raubte ihr nicht den Sinn für die Schönheit der Landschaft. »Sieh nur mal die Bäume!«, rief sie und deutete auf ein Inselchen inmitten der Magellanstraße, wo die Äste der Bäume sich förmlich dem Wasser entgegenzustrecken schienen und deren Blätter tief darin versanken. Manche Inseln waren durch und durch bewaldet, andere nur vom Moos bedeckt, wieder andere kahl und schroff. Ihnen allen war gemein, dass sie nicht bewohnt waren – und den Kapitän vor die schwere Aufgabe stellten, sie mühsam zu umschiffen.
    »Es sieht hier ganz anders aus als in der Atacamawüste«, fügte Clara hinzu. »Ich meine, hier ist so viel Wasser … und so viel Grün …«
    Victoria nickte, während sie Clara unauffällig musterte. Sie war froh, dass sie heute so selbstverständlich mit ihr sprach. In den letzten Wochen hatte sie meistens geschwiegen, und obwohl Victoria wusste, dass es ihre Art war, den Verlust zu verkraften, und es ihr auch selbst schwerfiel, allzu viele Worte zu machen, freute sie sich, dass das Mädchen wieder aufmerksamer für seine Umgebung wurde.
    »Nicht mehr lange, dann werden wir in Punta Arenas ankommen«, sagte sie gedankenverloren.
    Am Ende war sie also doch in die südlichste Stadt Chiles aufgebrochen, so wie es sich Rita und Balthasar gewünscht hatten – allerdings zwölf Jahre später als von ihnen geplant und nicht alleine, sondern in Begleitung zweier Stieftöchter.
    Anders als Clara und Victoria klammerte sich Dora nicht an der Reling fest und war auch blind für die menschenleeren Weiten Patagoniens auf der einen Seite und Feuerlands auf der anderen Seite. Stattdessen beobachtete sie wie so oft zwei ihrer Mitreisenden, die während der langen Fahrt immer wieder ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten – ein älteres Ehepaar, dessen Spanisch ob ihres englischen Akzents kaum verständlich war und das zu den wenigen gehörte, die Wind und Regen trotzten und immer wieder an Deck kamen.
    Der Mann hielt ein merkwürdiges Gerät in der Hand, hielt es mal in die eine und mal in die andere Richtung und drückte immer wieder auf ein Knöpfchen.
    Dora hatte schon oft laut sinniert, was es damit auf sich hatte – aber heute war es das erste Mal, dass sie den Mann zu fragen wagte: »Was machen Sie denn da?«
    Der Mann war amüsiert über ihr Unwissen – und stolz auf seinen Besitz.
    »Das ist eine Rollfilmkamera!«, rief er.
    In Doras Gesicht breitete sich Verwirrung aus – und auch Victoria hatte noch nie davon gehört.
    »Nun, es ist eine Kamera, wie Fotografen sie haben, aber nur viel kleiner und für den Hausgebrauch tauglich!«, erklärte der Mann bereitwillig. »Die Firma Kodak hat sie hergestellt. Ich muss einfach nur auf den Knopf drücken, und später werden dann die Bilder entwickelt, die ich fotografiert habe.«
    Victoria konnte sich nicht vorstellen, wie dieses Gerät tatsächlich funktionierte, aber sie war genauso fasziniert davon wie Dora, und sie traten beide näher, um es sich ausführlich von dem Mann vorführen zu lassen.
    »Christopher Wellington

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