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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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auszogen und unter den Arm nahmen. Und in dem Moment, in dem er eine von diesen Damen beobachtete, stieg eine Erinnerung hoch. Er war sich nicht sicher, warum er es wusste – aber die Frauen in Chile, das war ihm plötzlich ganz klar, hätten sich niemals so gehenlassen und aller Welt gezeigt, dass Hitze oder Kälte ihnen zusetzten. Auch im Sommer trugen sie Mieder und enge Kragen.
    Plötzlich sah er viele elegante Kleider vor sich, Kleider aus Brokat, aus Musselin, aus Samt, mit Spitzenbordüren, breiten Gürteln, Perlenstickereien – Kleider, die Aurelia getragen hatte. Immer noch konnte er ihr Gesicht nicht sehen, aber er war sich plötzlich sicher: Sie musste wunderschön gewesen sein.
    Allerdings, und auch das ging ihm durch den Kopf, als er die New Yorker Frauen musterte – auch sie hatte sich in den unbequemen Kleidern nicht immer wohl gefühlt. Vielleicht hätte sie heute und hier auch ihre Jacke ausgezogen – einfach weil es praktischer war.
    Je konkreter die Erinnerungen wurden, desto aufmerksamer musterte er die Frauenmode und stellte fest, wie stark sie sich in den letzten Jahren verändert hatte. Man sah kaum mehr Mieder, und die Röcke waren so kurz, dass man die Unterschenkel sehen konnte. Eine Frau war über seinen Blick, der ihr wohl als aufdringlich erschien, so erbost, dass sie ihren Sonnenschirm hob und auf seinen Arm schlug. Tiago zuckte zusammen und entschuldigte sich mehrmals, aber sie rauschte hochmütig davon.
    Fortan wagte er es nicht mehr, den Frauen hinterherzustarren. Stattdessen entdeckte er nun die kleinen Zeitungskioske für sich, die es an jeder Ecke gab und wo man diverse Modemagazine kaufen konnte: Vanity Fair, Vogue oder Harper’s Bazaar. Bald fand er heraus, dass sie nicht nur über Kleider berichteten, sondern auch über teuren Schmuck, Automobile oder die Polosaison.
    Der Zeitungsverkäufer starrte ihn missmutig an, als er eines Tages wieder einmal die Journale musterte. »Wenn Sie sie lesen wollen, dann müssten Sie sie gefälligst auch kaufen«, knurrte er.
    Tiago kramte in seiner Tasche nach Münzen, stellte aber fest, dass er keine mehr hatte und sein Portemonnaie im Hotelsafe gelassen hatte. Er öffnete den Mund, um sich zu entschuldigen, als ihm seine Kehle plötzlich ganz trocken wurde. Sein Blick war auf eine weitere Titelseite von einem der Journale gefallen, und das, was er sah, ließ sein Herz stocken.
    Es war kein Auto, kein Diamant, kein Kleid. Es war ein Bild. Ein Bild, das er kannte.
    Mit zitternden Händen ergriff er das Journal. Obwohl die einzelnen Worte verschwammen, konnte er die Überschrift lesen, die unter diesem Bild stand.
    Die Farben Chiles.
    Im großen, lauten New York schien es plötzlich ganz still und leise zu werden. Ein Gefühl überkam ihn, als wäre eine Saite seiner Seele zum Schwingen gebracht, und der Ton, der erklang, wäre der schönste, den er je gehört hatte.
    Das Bild war nur sehr klein abgedruckt, aber ausreichend groß, um die Details zu erkennen: zwei Menschen, die Hand in Hand vor einer weiten, kargen Landschaft standen und sich vom rötlichen Himmel kaum abhoben.
    Patagonien … das war Patagonien …
    Mit immer noch zitternden Händen schlug er die Zeitung auf und suchte nach dem entsprechenden Artikel. Wieder verschwammen ihm die Buchstaben vor den Augen, dann sprangen ihm zwei Namen in den Blick.
    Christopher und Kate Wellington.
    Offenbar hatten diese irgendetwas mit dem Bild zu tun.
    Er murmelte sie, aber die Namen blieben ihm fremd. Er wollte weiterblättern, weiterlesen, doch in diesem Augenblick trat der Zeitungsverkäufer vor und riss ihm das Journal aus der Hand.
    »Wie gesagt – wenn Sie die Zeitung lesen wollen, müssen Sie sie bezahlen.«
    »Bitte, ich habe kein Geld dabei … aber ich muss doch …«
    »Dann ist das Ihr Pech.«
    Sprach’s und wollte die Zeitschrift zurück auf den Stapel legen. Ehe er es tat, hatte sie Tiago ihm schon unwirsch aus der Hand gerissen. Unmöglich konnte er darauf verzichten! Dieses Bild war der Schlüssel zu seiner Vergangenheit, einer Vergangenheit, die sich – während der Verkäufer erbost auf ihn einschrie – unter dem Schleier der letzten Jahre hervordrängte!
    Aurelia … Sie kommt aus Patagonien … Sie ist eine begnadete Malerin … Mein Vater … Mein Vater war gegen die Verbindung … Mein Vater heißt William Brown, er ist Engländer.
    Die Erinnerungen waren keine Blitze mehr, sie kamen wie ein mächtiger, breiter Fluss, der ihn mit sich riss. Der

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