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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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gibt, die das Leben bestimmen. Gesetze, die du nicht willst. Was mich fragen lässt, ob du vielleicht gar kein Anarchist, sondern ein Liberaler bist. Die wollen doch auch, dass sich der Staat so weit wie möglich aus allen Belangen zurückzieht.«
    Nun war es Jiacinto, der wütend die Fäuste ballte. »Ganz sicher bin ich kein Liberaler! Habe ich mich nicht einst auf der Straße geprügelt – nämlich für das Recht auf den freien Sonntag, das diese Ausbeuter verhindern wollten?«
    »Mit Prügeleien erreicht man für gewöhnlich gar nichts. Man muss sich zusammenschließen, in Form von Gewerkschaften und Organisationen, lokal wie überregional. Man muss vernünftig planen und das Machbare im Auge behalten. Und manchmal muss man verhandeln, statt lediglich zuzuschlagen.«
    »Gott, wie langweilig!«, zischte Jiacinto.
    »Außerdem muss man sich die Menschen zu Verbündeten machen, mit denen man nicht viel gemein hat. Die Kirche zum Beispiel …«
    »Hör mir doch auf mit den Pfaffen!«
    »Nicht alle, die eine Soutane tragen, sind schlecht. Es gibt auch Priester, die sich auf die Seite der Armen schlagen.«
    »Hör mir doch auf!«, wiederholte Jiacinto. Er beugte sich über Rebeca, um einen neuerlichen Zug von ihrer Zigarette zu nehmen, und blies Rauchkringel in die Luft. Während des ganzen Streitgesprächs hatte Victoria ihren Blick nicht von ihm lassen können, auch wenn vieles, was er sagte, sie zum Widerspruch reizte. Bis jetzt hatte sie nicht gewagt, sich einzuschalten, doch in die Pause, die jäh entstanden war, hörte sie sich plötzlich sagen: »Juan José Julio Elizalde.«
    Jiacinto fuhr ruckartig hoch. »Bitte?«
    Victoria reckte ihr Kinn. »Juan José Julio Elizalde, besser bekannt als Papst Julio, war einer jener Priester, der sich unermüdlich in den Dienst der Armen stellte. Am Ende hat er sogar mit der Amtskirche gebrochen.«
    Jiacinto grinste und trat dann langsam auf sie zu, bis er so dicht vor ihr stand, dass sie die Hitze seines Körpers spüren konnte: »Mit der Amtskirche brachen aber auch manche junge, geldgierige Männer der Oberschicht – das allein ist noch kein Verdienst.«
    »Aber das bedeutet, dass man aus dem, was ein Mensch ist, noch keine Rückschlüsse darauf ziehen darf, was er tut und denkt. Ob einer reich, ein Priester oder Anarchist ist – das allein macht ihn noch zu keinem guten oder schlechten Menschen.«
    Jiacinto legte den Kopf schief.
    »Meine Rede!«, rief Juan dazwischen. »Es geht nicht darum, wer die schönsten Reden schwingt, sondern am meisten erreicht! Um etwas zu erreichen, braucht man wiederum Geld. Und dieses Geld verdienen im Augenblick Rebeca und ich. Du tust nichts weiter, als ab und an die Faust zu erheben.«
    Jiacinto achtete nicht auf ihn. Er beugte sein Gesicht zu Victorias herab, hob plötzlich die Hand und streichelte ihr über die Wange. Die Berührung brannte wie Feuer.
    »Hast du Geld, Mädchen? Ganz egal, ob ererbt oder selbstverdient – was würdest du für eine gute Sache geben?«
    Victoria war sich sicher, dass seine Finger ein schwarzes, schwärendes Loch auf der Wange schlagen würden, dennoch zuckte sie nicht zurück. »Für eine gute Sache gebe ich alles, was notwendig ist. Tatkraft und Leidenschaft und natürlich auch Geld.«
    Jiacinto ließ seine Hand sinken und lachte auf. »Du siehst zwar aus wie eine alte Matrone, aber irgendwie gefällst du mir.«
    Erneut wollte er die Hand heben und sie berühren, doch plötzlich – Victoria hatte sie nicht kommen sehen – trat Rebeca dazwischen, ergriff seine Hand und zog ihn mit sich, um ihn neben Juan aufs Sofa zu drücken und sich nunmehr auf seinen Schoß zu setzen.
    Victoria konnte den Blick nicht recht deuten, den sie ihr dabei zuwarf. Er wirkte herausfordernd, triumphierend und irgendwie trotzig. »Meine Brüder müssen immer streiten, aber wenn es darauf ankommt, dann gehen wir füreinander durchs Feuer.«
    Juan war kaum merklich von den beiden abgerückt, aber als er Rebeca anblickte, sah Victoria tiefen Respekt und Liebe in seinen Augen. Die drei so vereint zu sehen versetzte ihr kurz einen schmerzhaften Stich. Sie hatte keine Geschwister, aber sich oft danach gesehnt – nach einem Kreis an Vertrauten, wo einer für den anderen einstand.
    Jiacinto deutete auf das Glas mit dem Orangenwein, das sie vorhin abgestellt hatte: »Trink noch mehr, Mädchen, dann kommt ein wenig Farbe in dein blasses Gesicht!«
    Victoria war verwirrt – gewiss, sie hatte die helle Haut ihrer deutschen

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