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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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nicht?«
    »Eigentlich ist es lediglich so, dass Tiago mir ein paar Stunden geben will, und dann …«
    »Wie?«, unterbrach Victoria sie wütend. »So sieht also dein Erfolg an der Escuela aus? Du hast einem Mann schöne Augen gemacht – und das war’s? Eine Frau sollte nie auf diese Weise ihre Ziele erreichen!«
    Aurelia errötete, hob jedoch trotzig den Blick. »Das ist doch meine Sache, oder nicht?«
    Victorias Kiefer mahlten, aber ehe sie noch etwas sagen konnte, beugte sich Valentina vor. »Nun streitet euch doch nicht!«, mahnte sie streng.
    »Aber wenn sie …«, begannen beide Mädchen wie aus einem Mund, um der jeweils anderen die Schuld für die Auseinandersetzung zuzuweisen.
    »Schluss jetzt!« Valentinas Stimme klang wie ein Peitschenknall, und ihr wohlwollendes Lächeln schwand aus dem Gesicht. »Genug geredet, jetzt wird gegessen.«
    Sie rieb sich die Schläfen, als hätte sie Kopfschmerzen. Pepe dagegen sah erstmals gelöst aus. Offenbar befriedigte es ihn tief, dass dieses Mal andere den Tadel seiner Mutter abbekommen hatten – und nicht wie üblich er.
    Die Mädchen fügten sich der strengen Stimme und begannen, brav ihre Suppe zu löffeln.

7. Kapitel
    O bwohl das Leben in Santiago am Anfang so viel Neues und Abenteuerliches gebracht hatte, verlief es nach einigen Wochen in gleichförmigen Bahnen.
    Aurelia freute sich Tag für Tag wieder auf die Malstunden bei Tiago, die sie kurz nach ihrem Wiedersehen aufgenommen hatten. Zunächst war sie noch nervös gewesen, doch da er sie so oft überschwenglich lobte, wurde sie zunehmend selbstbewusster. Er zeigte ihr Materialien, mit denen sie noch nie gearbeitet hatte – ob Leinwände, die viel glatter waren als ihre, oder Ölfarben –, und führte sie in Techniken wie die Aquarellmalerei ein, die sie nicht kannte. Außerdem erzählte er ihr von den großen Malern Chiles und studierte mit ihr viele von deren Bildern, so dass sie sich schon nach kurzer Zeit nicht mehr ganz so unwissend fühlte. Sie trafen sich in einem kleinen Raum an der Escuela, in dem sich noch viele andere Stühle befanden – doch zu Aurelias Erstaunen blieben sie immer leer, wenn Tiago ihr Unterricht gab. Sie kam zum Schluss, dass seine anderen Schüler allesamt Männer, vor allem aber viel fortgeschrittener waren als sie und er ihr den Anfang leichter machen wollte, indem er sie von ihnen fernhielt. Anders als bei ihrem ersten Besuch auf der Escuela, wo sie die Gänge leer vorgefunden hatte, begegnete sie an Tiagos Seite zwar anderen Studenten, doch diese zogen augenblicklich den Kopf ein, wenn sie Tiagos ansichtig wurden, und sie erklärte es sich damit, dass er ob seines Könnens und Status ungeheuer geachtet und nicht zuletzt auch gescheut wurde.
    Sie war stolz, ihm selbst so ungezwungen nahe sein zu können, mied aber ihrerseits aus Schüchternheit den Kontakt mit den anderen. Obwohl Tiago sich bei Señor Ponce dafür eingesetzt hatte, verzichtete sie vorerst darauf, an anderen Kursen teilzunehmen – wollte sie doch keine abfälligen Blicke auf sich ziehen, weil sie nur eine Frau war. Außerdem war sie davon überzeugt, dass sie im Moment von niemandem so viel lernen konnte wie von dem stets geduldigen, stets freundlichen Tiago.
    Einmal fragte sie ihn ängstlich, ob er überhaupt genügend Zeit für ihren Unterricht finden würde – gewiss hätte er viele andere Verpflichtungen zu erfüllen –, doch er verneinte lächelnd, sprach vage von Privilegien, die ihm genügend freie Zeit gewährten, und dass er nicht darauf verzichten wolle, diese Zeit mit ihr zu verbringen.
    Zu einer ebenso lieben Gewohnheit wie ihre Unterrichtsstunden wurden ihre langen Spaziergänge durch Santiagos Straßen und der Besuch der vielen Kaffeehäuser, ob die Confitería Torres oder das Wiener Café vom Hotel France. Sie lernte alle möglichen Spezialitäten kennen – und sich in der Stadt immer leichter zu orientieren. Bei den Straßen war ihr anfangs nur aufgefallen, dass es sehr viele und sehr breite waren. Nun erkannte sie, dass sie allesamt im rechten Winkel zueinander verliefen und es markante Punkte gab, anhand deren sich sagen ließ, wo man sich gerade befand: ob die Avenida O’Higgins, der Río Mapocho, der Cerro San Cristóbal oder der Cerro Santa Lucía.
    Einmal stiegen sie die monumentale Treppe hoch, die auf Letzteren führten, und kamen dabei am Palacio Hidalgo vorbei, den Resten jener Festung, die Pedro de Valdivia, Gründer der Stadt, einst hatte bauen lassen. Nicht viel

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