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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Andrés Espinoza.«
    Aurelia erhob sich so hastig, dass das Limonadenglas erzitterte. »Mein Retter in der Not!«, stieß sie aus – und erst jetzt meldete sich ihr schlechtes Gewissen: Obwohl es dieser Andrés gewesen war, der dem Dieb ihre Tasche entrissen hatte, hatte sie sich damals im Hafen von Valparaíso nicht bei ihm bedankt.
    Er lächelte spöttisch. »Oho, das hübsche Mädchen von Valparaíso!«, stieß er aus. »So hat Tiago Sie also wiedergefunden. Gottlob, möchte man sagen. Es war ja nicht auszuhalten, wie er tagelang von nichts anderem gesprochen hat …«
    »Andrés«, warf Tiago leicht verlegen dazwischen.
    »Leugne es nicht! Und es ist doch schön, dass das Schicksal Sie beide erneut zusammengeführt hat.«
    Seine Worte klangen freundlich, doch der Ausdruck seiner Augen, als diese kaum merklich ihre Gestalt musterten, war abschätzend. Eine Anspannung legte sich über sie, die Aurelia kaum zu deuten wusste. Unsicher nahm sie wieder gegenüber von Tiago Platz, während sich nun auch Andrés auf einem der Stühle niederließ. Im Hafen von Valparaíso hatte sie ihn – nicht zuletzt im Vergleich mit dem Dieb – für einen großen, stattlichen Mann gehalten. Nun fiel ihr auf, dass er seinen Kopf stets ein wenig gesenkt hielt und seine Schultern sich krümmten. Mausgrau war sein Haar und ließ ihn älter wirken, obwohl sein Gesicht so glatt und jung aussah wie das von Tiago. Er hatte nichts an sich, was man hässlich nennen konnte, dennoch war es Aurelia unangenehm, in diese stechenden Augen zu sehen. Sie war erleichtert, als er sich endlich Tiago zuwandte.
    »Warum bist du denn hier«, fragte er ihn, »und nicht auf der Escuela?«
    »Ich musste Niña Aurelia doch ein wenig von Santiago zeigen.«
    »Ihr habt’s gut! Normale Menschen müssen um diese Zeit arbeiten.« Aurelia entging sein scharfer Unterton nicht, doch Tiago lächelte nur und erklärte: »Andrés ist Arzt, musst du wissen. Er hat erst vor kurzem sein Medizinstudium abgeschlossen.«
    Aurelia nickte respektvoll.
    »Ach was!«, rief Andrés und winkte ab. »So eine große Leistung ist das nicht. Ich hätte mir gar nicht erlauben können, es nicht zu schaffen. Mein Vater ist Ramiro Espinoza – ein stadtbekannter Chirurg. Er arbeitet am größten städtischen Krankenhaus.«
    »Meine Freundin, mit der ich hier in Santiago lebe, Victoria Hoffmann, macht dort eine Ausbildung zur Krankenschwester«, sagte Aurelia schnell.
    So unangenehm es ihr eben gewesen war, wie Andrés’ Blick auf ihr geruht hatte, so schwer fiel es ihr zu ertragen, wie er nun Tiago musterte – irgendwie herablassend … und höhnisch.
    »Wie hat Tiago Sie eigentlich wiedergefunden? Nicht dass ich ihn nicht allzu gut verstehe, aber irgendwann hatte ich doch genug davon, dass er ständig sehnsüchtig von Ihnen schwärmte.«
    Aurelia errötete beschämt. Gewiss übertrieb er. »Wir sind uns auf der Escuela de Bellas Artes zufällig begegnet. Señor Alvarados hat sich bereit erklärt, mir Malunterricht zu geben«, sagte sie schnell, um das Thema zu wechseln.
    Es glückte nicht recht. »Oho!«, lachte er auf. »Señor Alvarados! So also hat er sich Ihnen vorgestellt.« Er lachte, während Tiago ihn plötzlich sehr ärgerlich anblickte und ihm mit einem Kopfschütteln andeutete, nichts mehr zu sagen. Wieder legte sich Spannung über sie drei – und diesmal war es gewiss keine Täuschung. Aurelia sah verwirrt von einem zum anderen und wurde nicht schlau aus Andrés’ Worten. War Alvarados etwa nicht Tiagos Namen? Aber warum sollte er ihr einen falschen nennen?
    »Soso.« Andrés klopfte Tiago auf Schultern, der sichtlich zusammenzuckte. »Tiago will Ihnen also Malunterricht geben.«
    »Ja, und ich bin darüber sehr froh, und …«
    »Es wundert mich allerdings ein wenig«, fiel Andrés ihr ins Wort. »Ich meine, Tiago ist doch selber nur …«
    Der Tisch erzitterte, als Tiago abrupt aufstand. »Es ist genug, Andrés! Ich werde Niña Aurelia jetzt nach Hause begleiten.«
    Aurelia erhob sich so hastig wie er – Andrés etwas zögerlicher. »Aber natürlich, mein Freund!«, rief er. »Und nachdem du sie nach Hause begleitet hast – richte deinem werten Vater meine besten Grüße aus. Und natürlich auch deiner Mutter, der lieben Doña Alicia.«
    Er verbeugte sich respektvoll, und Aurelia bemerkte, wie sich Tiagos Gesicht noch mehr verdunkelte. Zugleich sah sie so etwas wie Angst darin aufblitzen.
    Fragend blickte sie ihn an und hoffte, dass er ihr Andrés’

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