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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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dem Portal zu nähern, immer noch war Andrés an ihrer Seite.
    »Wer sind die Brown y Alvarados’?«, fragte sie tonlos.
    »William Brown ist ein einflussreicher englischer Unternehmer, der es hier zu einem Vermögen gebracht hat. Und Alicia Alvarados, seine Frau, ist die Tochter einer der mächtigen spanischen Familien, die einst im sechzehnten Jahrhundert mit Pedro de Valdivia Chile besiedelten.«
    Seine Stimme ging in ein Rauschen über. Fieberhaft überlegte Aurelia, ob Tiago – wenn er ihr die Wahrheit auch verschwiegen hatte – jemals irgendetwas angedeutet hatte, woraus sie, wäre sie aufmerksamer und welterfahrener gewesen, die richtigen Schlüsse hätte ziehen können.
    Einflussreich … mächtig …
    Ungerührt fuhr Andrés fort: »Schon Williams Vater hat Geschäftsverbindungen zu Chile gehalten. Er war Bankier und wichtiger Teilhaber an der Banco Anglo Sudamericano. Ihren Hauptsitz hat sie in London, die Vertretung in Chile befindet sich in Valparaíso, und diese Bank wurde in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Kreditgeber für die Oberschicht. Einen dieser Kredite bekamen die Alvarados’ – auf diese Weise lernten sich die Familien kennen. Anders als sein Vater ist William weitaus mehr als nur ein Bankier. Es gibt kaum einen Geschäftszweig, in dem er nicht seine Hände im Spiel hat. Schon in jungen Jahren ist er nach Chile ausgewandert – und heute ist er stolzer Besitzer von Kupfer- und Salpeterminen im Norden und von Dampf- und Mühlenbetrieben rund um Valparaíso. Er ist am Kohleabbau ebenso beteiligt wie am Bau der Eisenbahn.«
    Aurelia verstand nicht viel von der Wirtschaft, nur dass man mit Salpeter und Kupfer reich wurde, sehr reich. Auch Victorias Vater Arthur hatte Anteile an einer Salpetermine im Norden besessen. Bis vor wenigen Jahrzehnten hatte sich keiner für jenes karge, heiße Land interessiert – doch dann hatte man unter dem Wüstensand unermessliche Reichtümer in Form von Rohstoffen entdeckt. Nach dem Salpeterkrieg, in dessen Verlauf Peru den chilenischen Gebietsansprüchen weichen musste, hatten in- und ausländische Investoren und Spekulanten den Salpeterabbau nachdrücklich angeheizt. Und ja, vage konnte sie sich daran erinnern, dass vor allem Briten in dieses Geschäft ihre Kapitalkraft und ihre technologischen Verbesserungen einbringen konnten, dass sie Produktionskapazitäten ausweiteten, kleinere Betriebe verdrängten und selbst große, gesunde Unternehmen schluckten.
    Ganz nüchtern konnte sie all das bedenken. Aber sie konnte immer noch nicht entscheiden, ob es nun eine Lüge, gar Verrat war oder nicht, dass Tiago nie von seiner Herkunft berichtet hatte. Vielleicht war sie selbst schuld, vielleicht hätte sie mehr Fragen stellen müssen. Aber bis jetzt hatte sie doch immer nur genossen, mit ihm zusammen zu sein, und hatte keinen Gedanken an ihre Zukunft verschwendet! Das tat sie erst jetzt, als Andrés’ Blick sie traf, etwas höhnisch, etwas mitleidig, und dieser Blick bekräftigte, was er ihr vorhin schon gesagt hatte: Einer wie Tiago lässt sich für gewöhnlich nicht mit einem Mädchen wie dir ein. Und wenn er es tut, ist dieses Mädchen nur ein netter Zeitvertreib, mehr nicht …
    Bis jetzt hatte sie nicht gewusst, mit welchen Worten sie ihre Gefühle für Tiago bezeichnen sollte. Jetzt kamen sie ihr wie von selbst in den Sinn: Ich liebe ihn, ich liebe ihn ja so sehr!
    Doch diese Liebe tat weh, unerträglich weh.
    Großer Gott! Sie, die Tochter von patagonischen Schafzüchtern, in deren Adern obendrein ein wenig Mapuche-Blut floss, liebte den Sohn von William Brown und Alicia Alvarados, einer der reichsten, mächtigsten Familien der Stadt, vielleicht des ganzen Landes!
    »Der Vorteil der Engländer«, fuhr Andrés ungerührt fort, »ist ihre enorme Kaufkraft. Sie sind fast bei jeder Compania beteiligt. Campbell und Gibbs, Fölsch und Martin, Clark Eck und Names/Inglis, North und Harvey. Nun, und die Compañía Brown y Alvarados steht diesen Unternehmen um nichts nach. Obwohl er nun schon so lange in Chile lebt, hält William engen Kontakt nach London. Sein Bruder lebt dort und hat wiederum Verbindungen zur einflussreichen und finanzstarken Kaufmannsfamilie Lockett aus Liverpool. Ihnen gehört die Liverpool Nitrate Company – das ist eine an der Börse in London registrierte Nitratgesellschaft.«
    Aurelia hatte all diese Namen noch nie gehört und den Verdacht, dass Andrés sie mit Absicht quälte, indem er ihr die Tür zu einer fremden Welt

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