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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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dürften.
    »Und wo ist Victoria jetzt?«, fragte Pepe.
    »Sie streift wohl durch die Straßen …«
    »Um diese Uhrzeit?« Er plusterte sich empört auf.
    Valentina seufzte wieder. »Victoria will frei und unabhängig sein – aber Freiheit hat ihren Preis, und das ist kein geringer. Aurelia wiederum kann gerne auf die Freiheit verzichten, solange sie Tiago hat – aber auch sie wird ihren Teil zu zahlen haben. Ich bin mir bei beiden nicht sicher, ob sich das, was sie kriegen, und das, was sie geben müssen, die Waage hält.«
    Wieder starrte sie eine Weile vor sich hin, dann erhob sie sich ruckartig. »Hol uns zwei Gläser Portwein!«, befahl sie Pepe nun doch, überzeugt, dass man fehlenden Seelenfrieden am besten mit Beharren an Gewohntem ausgleichen konnte. »Dann wollen wir über deinen Vater reden.«

Zweites Buch:
Die Farben von Arm und Reich
    1909 - 1912
    12. Kapitel
    E s geht alles zu schnell, dachte Aurelia, als sie vor dem Zivildiener stand, der ihre Ehe mit Tiago bestätigen würde, es geht alles viel zu schnell.
    Sie versuchte, den Gedanken zu unterdrücken – genauso wie sie ihn sich in den letzten Tagen stets verboten hatte –, doch er kehrte hartnäckig wieder. Ihr Leben schien bis vor kurzem vor sich hin geplätschert zu sein wie ein glitzerndes, frisches Bächlein, doch plötzlich war ein reißender Fluss voller Strudel daraus geworden, der nichts so zurückließ, wie es gewesen war. Die Ereignisse waren so knapp aufeinander gefolgt, dass sie keine Möglichkeit gehabt hatte, über jedes einzelne nachzudenken – ob es nun der scheußliche Streit bei Tiagos Familie war, ihre Auseinandersetzung mit Victoria, der Einzug ins Haus der Espinozas, schließlich der grimmige Entschluss von Tiago: »Morgen heiraten wir.«
    In diesem Augenblick war er ihr so fremd gewesen. Nichts war da von seiner Leichtigkeit, seiner Fröhlichkeit, seiner Selbstsicherheit. Etwas Gequältes lag in seinen Zügen, etwas zugleich Wütendes und Verlorenes, die Last eines ganzen Lebens. Dennoch glaubte sie, ihn nie so heiß und innig geliebt zu haben wie in diesem Moment, da er bekräftigend ihre Hand nahm und sie drückte, so fest, als wollte er sie nie mehr loslassen. Und auch als er sie küsste, fühlte es sich so an, als wollte er sie sich ganz und gar einverleiben.
    »Schon morgen?«, fragte sie, als sie wieder Atem schöpfen konnte und war bestürzt, dass sie nicht glücklich klang, sondern ängstlich.
    »Du willst mich doch heiraten?«, fragte er bestürzt, und ehe sie etwas sagen konnte, küsste er sie erneut, diesmal nicht inniglich, sondern verzweifelt. Als er sich von ihr löste, wagte er nicht, ihr in die Augen zu sehen, und Aurelia schämte sich für ihr Zögern.
    »Natürlich will ich!«, rief sie – und es war die Wahrheit. Seit sie Tiago zum ersten Mal begegnet war, hatte sie gewusst, dass er der Mann ihres Lebens war, dass sie nie glücklicher als an seiner Seite sein würde, dass sie mit ihm den Rest ihrer Tage zusammenbleiben wollte. Schon nach wenigen Wochen war er ihr so vertraut, als wären sie über Jahre miteinander eingeschlafen und erwacht.
    Und dennoch … da war ein Unbehagen in ihr, nicht von ihm ausgelöst, sondern von diesem Gefühl der Hektik, in die seine Worte sie versetzte, gleich so, als wären sie auf der Flucht, ohne genau zu wissen, wovor sie davonliefen, als würden sie in eine bestimmte Richtung getrieben, für die sie sich doch frei entscheiden hätten wollen.
    Ein wenig Aufschub bekam sie. Obwohl Tiago schon am nächsten Tag heiraten wollte, mussten sie eine Woche warten, bis sie einen Termin bekamen. Das Gefühl, dass alles viel zu schnell ging, schwand dennoch nicht – Aurelia lernte lediglich, es besser zu verbergen, vor Tiago, aber auch vor sich selbst.
    Ob in Tiago ebenfalls Zweifel wach wurden, wusste sie nicht, nach außen hin gab er sich entschlossen und war nur in einer Sache bereit, nachzugeben.
    Der gastfreundliche Ramiro Espinoza schlug vor, dass sie sich fürs Erste mit der zivilrechtlichen Hochzeit begnügen und erst später die kirchliche nachholen sollten. Erstere war ein schlichter Vertrag, der nur von einem Beamten bestätigt werden musste. Die Kirche würde diese Ehe zwar nicht anerkennen – desgleichen wie der Staat nicht die Trauung durch einen Priester –, aber es reiche doch als Beweis für seine Liebe zu Aurelia, und wer wüsste es schon, vielleicht lenkte seine Familie ein, und sie konnten irgendwann im großen Stil das eigentliche Fest

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