Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
Vom Netzwerk:
Wahrheit ist: Ich wurde nur wegen meines Namens auf der Escuela aufgenommen.«
    Eine vage Erinnerung streifte Aurelia – an den Tag, da sie zum ersten Mal vor dem Haus der Familie Brown y Alvarados stand und Andrés ihr Ähnliches gesagt hatte.
    »Aber du liebst doch die Malerei! Du bist glücklich, wenn du zeichnen kannst! Das ist doch das Wichtigste!«
    Er zuckte die Schultern und verstaute die Mappe in der Schublade.
    »Wenn ich mir dessen nur sicher sein könnte!«, brach es aus ihm heraus. »Aber was ist, wenn es nur meine Form ist, zu protestieren … so wie Guillermo mit schnellen Autos fährt, die mein Vater hasst, und Geld auf Pferde setzt?«
    Vorsichtig legte sie ihre Hand auf seine Schultern. Jener Gedanke schien ihn nicht zum ersten Mal zu zerfleischen, denn der Schmerz in seinen Zügen war alt. Was hätte sie gegeben, diesen Schmerz vertreiben zu können – aber sie wusste nicht, wie, fühlte sich hilflos … und auch wieder viel unsicherer als eben noch, da sie dachte, ihre Liebe genügte, um allem zu trotzen.
    »Wie … wie soll es jetzt weitergehen?«, stellte sie jene Frage, die sie in den letzten Wochen nicht auszusprechen gewagt hatte. Seit sie im Haus der Espinozas lebten, hatten sie beide die Escuela nicht mehr betreten, und sie fragte sich, ob sie jemals wieder das alte Leben aufnehmen konnten, da er ihr Lehrer war und sie seine Schülerin.
    »Gott sei Dank ist Ramiro so gastfreundlich«, murmelte er.
    »Aber wir können nicht ewig darauf zählen! Ich … ich könnte arbeiten, irgendetwas fällt mir schon ein, Victoria verdient im Krankenhaus auch ein wenig Geld, und …«
    Tiago schüttelte den Kopf: »Das kommt nicht in Frage! Du darfst die Malerei nicht aufgeben, niemals!«
    »Aber von meinen Bildern können wir nicht leben. Ich kann weiter malen und trotzdem arbeiten, in Patagonien habe ich auch immer auf der Estancia geholfen …«
    Der Klang des Namens ihrer Heimat beschwor Erinnerungen. Sie schloss die Augen und glaubte kurz den Wind zu fühlen, der ständig wehte, das Abendlicht, das unterschiedliche Farben auf den Himmel malte, den Staub und Sand, die in ihr Gesicht rieselten.
    »Still«, murmelte Tiago, »sei still. Morgen denken wir darüber nach … aber nicht jetzt … nicht diese Nacht … diese Nacht gehört ganz uns.«
    Sie hielt die Augen immer noch geschlossen und sah darum nicht, ob Schmerz und Hader gänzlich aus seinem Gesicht verschwunden waren. Der Kuss, den er ihr gab, war jedenfalls zärtlich, nicht getrieben und verzweifelt. Sie gab sich ganz dem Geschmack seiner Haut, der Weichheit seiner Lippen, dem Spiel mit seiner Zunge hin.
    Zuerst küsste er sie im Stehen, dann zog er sie langsam aufs Bett. Vorsichtig nestelte er an ihrem Spitzennachthemd, löste den obersten Knopf. Sofort konnte sie befreiter atmen. Als seine Hand zum zweiten Knopf fuhr, spürte sie, wie er zögerte. Sie öffnete die Augen, sah, dass er ganz rot im Gesicht war und dass seine Hand zitterte.
    »Ich … ich habe das noch nie gemacht …«, murmelte er.
    »Ich auch nicht …«, erwiderte sie. Anders als er aber fühlte sie kein Zögern, keine Scham. Sie öffnete selbst weitere Knöpfe ihres Nachthemds, schob den Stoff beiseite, zog seine Hand auf ihre nackte Haut. Ihre Haut erschauderte, wo er sie berührte, aber was immer sie tat, fühlte sich nicht verboten an, sondern so selbstverständlich.
    Auf der Estancia hatte man stets ganz offen darüber geredet, wie Schafe sich paarten. Ihr Stiefvater und ihre Mutter hatten sich oft vor allen Menschen umarmt und geküsst und nicht darum geschert, dass es der Missionar Don Andrea nur ungern sah. Und dann gab es noch Ana, die aus Russland stammende Freundin ihrer Mutter, die einen Tehuelche liebte, offen von dessen Größe und samtiger Haut schwärmte und Aurelia immer wieder gesagt hatte, dass es das Schlimmste auf der Welt war, bei einem Mann zu liegen, den man verachtete, aber das Allerschönste, wenn man ihn liebte und begehrte. Und sie liebte Tiago! Sie wollte ihm ganz nahe sein, wollte sämtliche Grenzen überwinden – ob störenden Stoff oder quälende Gedanken! Diese hatten hier nichts verloren, nicht auf diesem weichen Bett, auf das sie sank, während sie ihr Nachthemd immer höher schob.
    Die Verlegenheit schwand aus seinem Blick, stattdessen las sie in seinen Augen, was sie selbst fühlte: diese Sehnsucht, ihn zu halten, diesen Hunger, seine Haut zu fühlen und mit Küssen zu überhäufen. Er zögerte nicht länger, streifte

Weitere Kostenlose Bücher