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Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Im Schatten des Feuerbaums: Roman

Titel: Im Schatten des Feuerbaums: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Familien. Sie mögen keine Ausländer, musst du wissen, ob nun Deutsche oder Engländer oder Amerikaner. Trotz der Heirat mit mir blieb er natürlich ein Engländer, und die altehrwürdigen spanischen Familien verachteten ihn immer noch. Aber nun wagten sie nicht mehr, ihre Verachtung zu zeigen. Er hat bekommen, was er wollte – eine Ehefrau –, und mein Vater ist losgeworden, was er wollte – eine Tochter. Meine Mutter wiederum steckte eine jüngere Schwester von mir ins Kloster.«
    Wie sie selbst bei diesem Geschäft ausgestiegen war, sagte sie nicht. »Williams Aufgabe war es fortan, noch reicher zu werden, als er schon war. Meine Aufgabe war es, dem Namen meines Vaters Ehre zu bereiten, obwohl ich mit einem Engländer verheiratet bin. Deine Pflicht ist es, Tiago keine Schande zu machen.«
    Aurelia leckte sich über die Lippen und brachte aus trockener Kehle hervor. »Ich werde alles tun, um …«
    Alicia deutete auf Aurelias Kleidung: »Du wirst nichts davon behalten können. Das ist zu schäbig für eine Frau deines künftigen Ranges. Wir werden dich ganz neu einkleiden. Und du wirst lernen müssen, wie man sich in unseren Kreisen verhält.«
    Aurelia wusste nicht, ob Alicia Zustimmung erwartete oder davon ausging, dass sie sich ohnehin nie und nimmer widersetzen würde. Schließlich stammelte sie: »Ich … ich liebe Tiago. Ich will, dass er stolz auf mich ist.«
    Alicias Blick schien etwas lebendiger zu werden, wenngleich Aurelia nicht sagen konnte, was darin aufleuchtete: ob Neid oder Erleichterung oder Liebe zum Sohn.
    Sie trat abermals auf sie zu und nahm ihr die Malmappe aus der Hand, die Aurelia an sich gepresst gehalten hatte.
    Diesmal ging sie nicht zum Bett, sondern zum Tisch, um die Bilder dort nebeneinander auszubreiten. Sie betrachtete sie alle sorgfältig – am längsten das letzte, das Aurelia erst vor kurzem gemalt hatte und das sie und Tiago in Patagonien zeigte.
    »Du malst sehr gut«, stellte sie fest und klang ehrlich anerkennend. »Es sind ausgesprochen schöne Bilder.«
    Aurelia errötete. »Danke, ich …«
    »Du weißt, dass du das Malen aufgeben musst«, fiel ihr Alicia hart ins Wort.
    »Aber ich kann doch …«
    »Doch, du musst es aufgeben!« Ihre Stimme wurde ungewohnt laut. »Gewiss, es gibt unziemlichere Tätigkeiten für eine feine Dame, als hinter der Staffelei zu sitzen. Meinetwegen könntest du malen, so viel du willst. Aber wann immer du es tun würdest, würdest du Tiago schmerzlich an seinen Traum erinnern – den Traum, den er aufgeben musste. Wenn du ihn wirklich liebst, wie du sagst, wirst du ihm beweisen, dass du – wie er selbst – zu einem überaus großen Verzicht bereit bist.«
    Aurelia schluckte. Alicias Worte leuchteten ihr ein, gewiss wollte sie Tiago keinen Schmerz zufügen, dennoch regte sich in ihr Protest.
    »Ich will doch nur …«, setzte sie an.
    Alicia trat zu ihr, hob die Hand und streichelte ihr zärtlich über die Wange. Aurelia hätte nicht erwartet, dass diese steife Frau zu solch einer liebevollen Berührung fähig war. Ihr Blick war allerdings keineswegs liebevoll – etwas Trotziges stand in ihren Zügen: »Die Tugenden einer edlen Frau sind die gleichen wie die unserer Jungfrau Maria. Selbstlos, freundlich und zart hat sie zu sein. Bescheiden, hingebungsvoll und bereit, alles zu opfern. Sie lebt nicht für sich, sondern für ihren Mann und ihre Söhne. Und wenn sie ihren Mann oder ihre Söhne verliert, dann trägt sie ihr Leid stumm und mit Würde.«
    Je länger sie sprach, desto verächtlicher klangen ihre Worte, als würde sie sie insgeheim für genauso falsch befinden, wie Victoria es wohl tun würde.
    Alicia senkte ihre Hand und trat zurück. »Ich habe William geheiratet, ihm Söhne geschenkt, ich bin nicht Nonne geworden, und ich habe stets meine gesellschaftlichen Pflichten erfüllt«, setzte sie unwillkürlich hinzu. »Aber ich habe nie auch nur ein Wort Englisch gelernt.«
    Ein schmales Lächeln erschien auf ihren Lippen und ließ sie jung erscheinen, fast glücklich. Doch rasch wurden ihre Züge wieder ausdruckslos. »Du wirst nun baden. Danach kommt die Schneiderin.«
    Aurelia blickte erst sehnsüchtig auf ihre alten Kleider, dann auf ihre Bilder. Sie wagte weder das eine noch das andere zurückzufordern.
    »Ich werde nicht mehr malen«, stieß sie hastig aus, ehe sie die Worte ausreichend überdenken konnte. »Natürlich bringe ich dieses Opfer, um Tiago Schmerz zu ersparen! Er soll seine Entscheidung nie bereuen und

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