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Im Schatten des Fürsten

Im Schatten des Fürsten

Titel: Im Schatten des Fürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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alles logische Denken hatte sie nicht auf die damit einhergehenden Gefühle vorbereitet. Als sie ihn beschuldigte und er ihre Vorwürfe bestätigte, hatte ein Ausdruck in ihren Augen gestanden, den er ganz offensichtlich nicht verwinden konnte. Schmerz, Schreck, Wut und Traurigkeit.
    In seiner Brust wollte etwas wie Mitgefühl aufkeimen, aber das unterdrückte er gnadenlos.
    Er war nicht sicher, ob er bedauerte, seine Gefühle verdrängt zu haben, und gerade dieser Mangel an Bedauern bereitete ihm Sorge. Vielleicht lag die Wehrhöferin tatsächlich richtig. Vielleicht hatte er etwas Wichtiges verloren, Leben und Wärme und Einfühlungsvermögen, womöglich waren diese Gefühle durch den Verrat an der Krone und seine nachfolgende Mitwirkung an den Geschehnissen im Calderon-Tal ausgelöscht worden. Konnte ein Mensch sein Herz und seine Seele verlieren und trotzdem auch danach noch atmen und reden, als sei er lebendig?

    Wieder schob er diese Gedanken beiseite. Er hatte keine Zeit für solche rührseligen Tagträume. Die Kopfgeldjäger hatten den Abstand zu Fidelias und Isana verkleinert.
    Fidelias zog seinen kurzen, schweren Bogen aus dem Mantel und legte einen dicken, hässlichen Pfeil auf die Sehne. Mit einer Gewandtheit, wie man sie nur nach lebenslangem Umgang mit Pfeil und Bogen und als starker Holzwirker erlangen konnte, drehte er sich um, spannte die Sehne und schoss dem hintersten Kopfgeldjäger in die Kehle.
    Dessen Gefährte stieß einen Schrei aus und griff an, wobei er noch gar nicht bemerkt zu haben schien, dass sein Kumpan bereits tot war. Anfänger. Es war eine alte List, den hintersten Gegner zuerst zu erschießen, weil die Gefährten dann den Angriff fortsetzen, anstatt die Gefahr zu bemerken und Deckung zu suchen. Ehe der Möchtegern-Kopfgeldjäger sie erreichte, legte Fidelias einen zweiten Pfeil auf und schoss dem Mann aus einer Entfernung von fünf Fuß ins linke Auge.
    Der Angreifer brach tot zusammen, blieb auf dem Boden liegen, und nur das eine Bein zuckte einige Male. Auch der erste Kopfgeldjäger bewegte sich noch ein paar Augenblicke. Sein Blut spritzte in weitem Schwall auf das Pflaster. Dann wurde er still.
    Fidelias betrachtete sie eine Weile, legte den Bogen ab, zog das Messer und prüfte den Herzschlag seiner Opfer am Hals, um festzustellen, ob sie tot waren. Zwar hegte er wenig Zweifel daran, doch seine Berufsehre ließ keine Nachlässigkeit zu, und nachdem er sich von ihrem Tod überzeugt hatte, nahm er seinen Bogen wieder auf.
    Vielleicht hatte Isana unwissentlich ins Schwarze getroffen, und ihm war tatsächlich jedes Gefühl abhandengekommen.
    Aber was spielte das schon für eine Rolle?
    »Wehrhöferin«, sagte er und wandte sich ihr zu. »Wir sollten von hier verschwinden.«
    Isana starrte ihn an und schwieg. Alle Farbe war aus ihrem
Gesicht gewichen. Ihre Maske der Selbstsicherheit hatte sich aufgelöst, und darunter lagen Angst und pures Entsetzen.
    »Wehrhöferin«, sagte Fidelias. »Wir müssen von der Straße.«
    Sie schien sich leicht zu schütteln, kniff die Augen zusammen und rückte die Maske wieder zurecht. »Gewiss«, sagte sie. Ihre Stimme bebte ein wenig. »Geh nur voraus.«

39
    »Komm schon«, sagte Tavi. »Wir müssen los.«
    »Noch nicht«, sagte Kitai. Sie ging zum Tunneleinlass und schlüpfte hinein.
    »Verfluchte Krähen«, murmelte Tavi. Er stellte das Lichtfläschchen ab, folgte ihr und zischte: »Rechts geht es steil in die Tiefe. Halt dich links.«
    Er folgte Kitai zurück zu dem Sims über der Höhle dieser fremdartigen Wesen und kauerte neben ihr, während sie hinunter auf das Kroatsch , die Wachsspinnen, die sich langsam darüber hinwegbewegten, und die reglosen Canim starrte.
    »Beim Einen«, flüsterte sie, die Augen aufgerissen. »Aleraner, wir müssen gehen.«
    Tavi nickte und wandte sich um.
    Über die Kante des Simses krabbelte gerade eine Wachsspinne, versperrte ihnen den Rückweg und bewegte sich träge auf Tavi zu.
    Der regte sich nicht. Die Wachsspinnen waren giftig, aber, schlimmer noch, sie standen untereinander in Kontakt. Wenn diese ihren Artgenossen ein Zeichen gab, würden alle herkommen
- und den langsamen Spinnen würde er vielleicht sogar entfliehen können, nicht aber den behexten Canim. Und selbst wenn er die Spinne tötete, würde diese zuvor ihre Artgenossen warnen.
    Er blickte über die Schulter zurück zu Kitai. Die starrte ihn nur aus großen Augen an.
    Und als die Spinne dann mit dem Vorderbein leicht Tavis Hand berührte, musste

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