Im Schatten des Fürsten
grinste. »Sehr wohl, Hoheit.«
Sie fuhr fort: »Als Nächstes müssen wir den Neffen der Wehrhöferin finden und ihn vor diesen Vord und vor Kalares Blutkrähen beschützen.«
»Den vermeintlichen Blutkrähen, Hoheit«, berichtigte Fidelias sie. »Schließlich können wir nicht sicher sein, ob sie tatsächlich zu Fürst Kalare gehören.«
Die Fürstin blickte Fidelias zweifelnd an. »Ach, ja. Wie gedankenlos von mir. Ich nehme an, du lässt Kalares Güter in der Hauptstadt beobachten?«
Fidelias schenkte ihr einen leicht gekränkten Blick.
»Aber natürlich«, fuhr sie unbekümmert fort. »Befrage deine Posten, was sie in letzter Zeit gesehen haben, und stelle jeden, den du erübrigen kannst, für diese Aufgabe ab. Der Junge muss gefunden und in Sicherheit gebracht werden.«
Er verneigte sich höflich. »Ja, Hoheit. Darf ich vielleicht noch einen Gedanken äußern, ehe ich mich verabschiede?«
Fürstin Aquitania erteilte ihm mit einem Wink die Erlaubnis.
Der Meuchelmörder richtete sich wieder auf. »Seit meiner Ankunft habe ich ein ungewöhnliches Kommen und Gehen in den Tiefen bemerkt. Im Laufe des Winters wurden mehr Menschen als sonst vermisst gemeldet, und meiner Meinung nach ist das nicht allein auf Auseinandersetzungen zwischen den hiesigen Verbrecherbanden zurückzuführen. Es könnte mit diesen Wesen zu tun haben, vor denen die Marat warnen.«
Fürstin Aquitania zog eine Augenbraue hoch. »Meinst du das ernst?«
Fidelias zuckte mit den Schultern. »Mir erscheint das durchaus wahrscheinlich. Aber die Tiefen sind weitläufig, und in Anbetracht der wenigen Leute, die uns zur Verfügung stehen, würde es uns zu viel Zeit kosten, nach ihnen zu suchen.«
Die Fürstin winkte ab. »Nein, das ist nicht unsere Aufgabe. Die Sicherheit der Tiefen obliegt der Fürstlichen Wache und der Kronlegion. Wir werden sie bei der ersten Gelegenheit auf die mögliche Gefahr hinweisen. Zunächst kümmerst du dich um den Jungen. An ihm ist uns gelegen.«
»Ja, Fürstin.« Der Meuchelmörder neigte den Kopf, nickte Isana zu und verließ den Raum.
Isana saß einen Moment lang schweigend da. Ihr Herz klopfte viel zu heftig. Ihre Finger zitterten, daher ballte sie die Hände zu Fäusten, aber dann spürte sie den Schweiß auf ihrer Stirn und auf den Wangen.
Fürstin Aquitania setzte sich auf und betrachtete Isana ernst. »Wehrhöferin? Geht es dir gut?«
»Ja, ja, sicher«, murmelte sie und hatte plötzlich einen bitteren Geschmack im Mund, als sie hinzufügte: »Herrin.«
Die Fürstin runzelte die Stirn, nickte jedoch. »Ich müsste kurz meine Wasserkräfte einsetzen, um in Verbindung zu unserem Kommandanten zu treten.«
Isana war mehr als beeindruckt. Sie selbst hätte Bächlein in die meisten Gewässer des Calderon-Tals schicken können, aber auch nur deshalb, weil sie ihr ganzes bisheriges Leben dort verbracht
hatte und die dortigen Elementare so gut kannte. Mit Mühe würde sie vielleicht mit Bächlein eine Verbindung bis nach Kaserna herstellen können. Fürstin Aquitania hingegen sprach ganz beiläufig darüber, ihre Elementare fünfhundertmal so weit zu schicken.
Die Fürstin blickte Isana noch einen Moment an, ehe sie sagte: »Du glaubst wirklich, dass sie sich in Lebensgefahr befinden? Die Mitglieder deiner Familie?«
»Ja«, antwortete Isana schlicht.
Fürstin Aquitania nickte langsam. »Sonst hättest du dich niemals an mich gewendet, oder?«
»Ja«, meinte Isana. »Niemals.«
»Hasst du mich?«
Isana holte tief Luft, ehe sie antwortete. »Ich hasse, wofür du stehst.«
»Und was wäre das?«
»Macht ohne Prinzipien«, erwiderte Isana nüchtern. »Ehrgeiz ohne Gewissen. Anständige Menschen müssen unter euren Machenschaften leiden.«
»Und Gaius?«, fragte Fürstin Aquitania. »Hasst du den Ersten Fürsten ebenfalls?«
»Aus ganzem Herzen«, erwiderte Isana. »Aber aus einem anderen Grund.«
Die Fürstin sah sie aufmerksam an und signalisierte ihr, dass sie zuhörte, doch Isana hatte nichts mehr hinzuzufügen. Nachdem sie einen Moment geschwiegen hatten, nickte die Hohe Fürstin erneut. »Mir scheint, Aufrichtigkeit bedeutet dir viel. Deshalb will ich ehrlich mit dir sein. Was vor zwei Jahren in Calderon geschehen ist, bedaure ich«, sagte sie. »Es war eine sinnlose Verschwendung von Leben. Ich habe mich gegen meinen Gemahl gestellt, doch kann ich wenig ausrichten, wenn er eine Entscheidung getroffen hat.«
»Hast du ihm aus reiner Herzensgüte widersprochen?«, fragte Isana, die bemerkte, wie
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