Im Schatten des Fürsten
Es ist zu viel Zeit vergangen.«
»Du musst«, entgegnete Tavi. »Du wirst . Du hast mir dein Schwert gegeben. Und zwar nicht, damit ich es mir an die Wand hänge. Das hat etwas mehr bedeutet. Oder? Deswegen hat Gaius so seltsam reagiert, als er es gesehen hat.«
Faede verzog erneut gequält das Gesicht, nickte jedoch.
Tavi nickte ebenfalls. »Ohne dich oder mit dir, ich gehe wieder nach oben«, sagte er, »und ich werde gegen diese Tiere kämpfen, bis ich tot bin oder bis der Erste Fürst gerettet ist. Nimm dein Schwert, Faede. Komm mit. Ich brauche deine Hilfe.«
Faede seufzte und neigte den Kopf. Dann holte er tief Luft und nahm das Schwert, das Tavi ihm hinhielt. Er blickte dem Jungen in die Augen und sagte leise: »Aber nur, weil du mich darum bittest.«
Tavi nickte, klopfte Faede auf die Schulter, und gemeinsam eilten sie los.
50
»Sie formieren sich neu«, berichtete Amara, die die besessenen Wehrhöfer beobachtete. Vielleicht zwanzig waren jetzt mit langen, einfachen Speeren bewaffnet, die sie mit Messern, Sicheln und Schwertern grob angespitzt hatten. »Sieht aus, als würden sie auch Schilde der Legionares einsetzen.«
Bernard schnaubte und kam nach vorn. »Sie benutzen die Schilde, um die Speerträger vor unseren Bogen zu schützen. Unsere Salven müssen sie härter getroffen haben, als sie erwartet hatten.« Draußen gingen dicke Regentropfen nieder. Grüne Blitze tanzten durch die Wolken, die den Gipfel des Garados verhüllten, und die Luft wurde zunehmend feuchter und drückender. Ein alter Groll schien die Welt allmählich zu durchdringen. »Und gleich geht es mit dem Elementarsturm los, wenn ich mich nicht irre. In einer halben Stunde stürzen sich die Windmähnen auf uns.«
»In einer halben Stunde«, grübelte Amara. »Glaubst du, dann machen wir uns noch Gedanken darüber?«
»Vielleicht nicht«, antwortete Bernard. »Vielleicht aber doch. Die Zukunft ist nicht in Stein gehauen.«
Amara lächelte trocken. »Dann überleben wir die Vord und fallen den Windmähnen zum Opfer. Höchst ermutigend. Wie tröstlich.«
Bernard grinste und blickte hinaus zum Feind. Seine Augen funkelten vor Trotz. »Mit ein bisschen Glück wird der Elementarsturm beenden, was wir angefangen haben, selbst wenn wir es nicht mehr erleben.«
»Das klingt nun auch nicht gerade verlockend«, sagte Amara. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. »Können wir nicht
einfach hier abwarten? Bis der Elementarsturm sie erledigt hat?«
Bernard schüttelte den Kopf. »Mir scheint, sie wissen, dass der Sturm im Anzug ist. Deshalb wollen sie die Höhle einnehmen, ehe er losbricht.«
Amara nickte. »Also ist es so weit.«
Der Graf schaute sich nach hinten um und sagte: »Macht euch zum Angriff bereit.«
Hinter ihm hatten sich in Reihen alle Legionares aufgestellt, die noch stehen und eine Klinge schwingen konnten. Etwa drei Dutzend Schwerter wurden aus den Scheiden gezogen, und das stählerne Wispern kündete von Blutvergießen.
»Doroga«, rief Bernard. »Lass uns zwanzig Schritt Vorsprung, ehe du losreitest.«
Der Marathäuptling lag beinahe flach auf Wanderers breitem Rücken, weil die Höhlendecke so niedrig war. Er nickte Bernard zu und sprach leise auf Wanderer ein. Der Gargant scharrte mit den Riesenpfoten und zog Rillen in den Boden, und aus seiner Brust ertönte ein wütendes Knurren, das an den Feind draußen gerichtet war.
Bernard wandte sich seinen Bogenschützen zu. Jeder Ritter Flora hatte einen Pfeil aufgelegt. »Wartet bis zum letztmöglichen Augenblick, ehe ihr schießt«, wies Bernard sie leise an. »Und räumt Wanderer vor allem die Speerträger aus dem Weg.« Er zog die Sehne auf seinen Bogen und sah Amara an. »Bereit, Liebste?«
Sie hatte Angst, aber nicht so viel, wie sie erwartet hatte. Vielleicht hatte sie während der letzten Stunden einfach schon zu viel Angst gehabt, um sich jetzt davon überwältigen zu lassen. Ihre Hand fühlte sich ruhig an, als sie das Schwert zog. Eigentlich war es eher Traurigkeit, weniger die Angst. Traurigkeit, weil sie nicht mehr für Bernard und seine Männer tun konnte. Traurigkeit, weil keine weitere Nacht mit ihrem Gemahl folgen würde, keine stillen Augenblicke voller Wärme und Verlangen.
Es war vorüber. Das Schwert lag kalt, schwer und glänzend in ihrer Hand.
»Bereit«, antwortete sie.
Bernard nickte, schloss die Augen, holte tief Luft und öffnete die Augen wieder. In der linken Hand hielt er den großen Bogen mit einem Pfeil auf der Sehne. Mit der
Weitere Kostenlose Bücher