Im Schatten des Fürsten
Kurtisane sie mit offenem Mund anstarrte.
»Amara«, sagte Serai vorwurfsvoll, »du bist seine Geliebte.«
»Wie?«, erwiderte Amara. »Das ist überhaupt nicht …«
»Versuch gar nicht erst, es zu leugnen«, meinte Serai. »So wie du zu ihm hinübergesehen hast.«
»Was hat das schon zu bedeuten?«, konterte Amara.
»Ich habe deinen Blick bemerkt«, meinte Serai. »Als du seinen Namen gesagt hast. Er ist dort draußen, nicht wahr?«
Amara spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. »Woher weißt du …«
»Solche Dinge entgehen mir nicht, Teuerste«, sagte sie leichthin. »Das ist mein Beruf.« Die kleine Frau durchquerte das Zimmer, stellte sich ans Fenster zum Hof, schaute hinaus und runzelte die Stirn. »Welcher ist es denn?«
»Grüne Tunika«, antwortete Amara und trat vom Fenster zurück. »Er belädt den Garganten. Dunkles Haar, Bart mit ein paar grauen Strähnen.«
»Ach«, sagte Serai. »Aber alt ist er noch nicht. Bekommt früh sein Silberhaar, würde ich meinen. Das finde ich sehr reizvoll bei Männern. Es zeigt, dass er sowohl genug Kraft hat, um seine Pflichten zu erfüllen, als auch ausreichend Verstand im Kopf, um an sie zu denken. Und …« Sie hielt inne und blinzelte. »Er ist ziemlich kräftig, nicht?«
»Ja, in der Tat«, bestätigte Amara. »Und er kann erstaunlich gut mit dem Bogen umgehen.«
Serai blickte sie schief an. »Ich weiß, man redet normalerweise nicht so offen darüber, aber ich finde, ein starker Mann hat etwas herrlich Ursprüngliches an sich. Meinst du nicht auch?«
Amaras Gesicht brannte. »Nun ja. Es passt zu ihm.« Sie holte tief Luft. »Und er kann so sanft sein.«
Serai sah sie bestürzt an. »Ach, du meine Güte. Es ist schlimmer, als ich dachte. Du bist nicht nur seine Geliebte. Du bist in ihn verliebt.«
»Bin ich nicht«, erwiderte Amara. »Ich meine, sicher, ich treffe ihn häufig. Seit dem zweiten Calderon bin ich Gaius’ Kurier für die Gegend und …« Sie brachte den Satz nicht zu Ende. »Ich weiß nicht. Ich war noch nie verliebt, glaube ich.«
Serai wandte dem Fenster den Rücken zu. Über ihre Schulter hinweg sah Amara Bernard, der ein paar Männern Anweisungen erteilte, wie sie die schweren Arbeitspferde vor einen Wagen mit Ausrüstung spannen sollten, dann überprüfte er die Hufe der Tiere. »Triffst du dich oft mit ihm?«, erkundigte sich Serai.
»Ich … Meinetwegen könnte es ruhig häufiger sein.«
»Mhm«, sagte Serai. »Was gefällt dir denn am besten an ihm?«
»Seine Hände«, antwortete Amara ohne nachzudenken. Wieder errötete sie. »Sie sind so kräftig. Die Haut ist wenig rau. Aber warm und sanft.«
»Aha«, meinte Serai. »Und sein Mund«, platzte Amara heraus. »Ich meine, seine Augen haben eine hübsche Farbe, aber sein Mund ist … Ich meine, er kann …«
»Er kann küssen«, ergänzte Serai.
Amara brachte kein Wort heraus und nickte nur.
»Na ja«, meinte Serai, »dann kann man wohl durchaus sagen, du weißt, wie sich Liebe anfühlt.«
Amara biss sich auf die Unterlippe. »Glaubst du wirklich?«
Die Kurtisane lächelte ein wenig wehmütig. »Gewiss, Teuerste.«
Amara schaute in den Hof, wo zwei Jungen, kaum älter als sechs oder sieben, aus ihrem Versteck auf dem Wagen Bernard auf den Rücken sprangen. Der große Mann spielte den Zornigen und brüllte laut, drehte sich um die eigene Achse und versuchte nach ihnen zu greifen, bis die Jungen den Halt verloren und lachend auf dem Boden landeten. Bernard grinste sie an, fuhr ihnen durchs Haar und schickte sie mit einem Wink davon. Amara ertappte sich dabei, wie sie lächelte.
Serais Stimme wurde tiefer und sanfter. »Du musst ihn natürlich aufgeben.«
Amara wurde stocksteif. Sie starrte an der anderen Frau vorbei aus dem Fenster.
»Du bist eine Kursorin«, sagte Serai. »Eine, die das persönliche Vertrauen des Ersten Fürsten genießt. Und du hast geschworen, dein Leben dem Dienst zu widmen.«
»Ich weiß«, sagte Amara, »aber …«
Serai schüttelte den Kopf. »Amara, das kannst du ihm nicht antun, wenn du ihn wirklich liebst. Bernard gehört jetzt zum Hochadel des Reiches. Er hat Pflichten. Eine davon besteht darin, sich eine Frau zu nehmen. Eine Frau, die in erster Linie für ihn da sein wird.«
Amara starrte hinaus zu Bernard und den beiden Kindern. Plötzlich verschwamm die Welt vor ihren Augen, weil ihr die Tränen kamen.
»Er hat Pflichten«, wiederholte Serai voller Mitgefühl und doch unnachgiebig. »Unter anderem muss er Kinder zeugen, damit
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