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Im Schatten des Fürsten

Im Schatten des Fürsten

Titel: Im Schatten des Fürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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fünf Fuß, war also kaum mannshoch, und an Möbeln gab es lediglich eine abgestoßene alte Truhe ohne Deckel und eine Pritsche.
    Tavi schlich zu der Pritsche, bückte sich und wollte den Schlafenden wachrütteln.
    Einen halben Atemzug später stellte er fest, dass es sich bei der Gestalt unter der Decke nur um ein Bündel Schlafzeug handelte, das zusammengeknäult war und einen Schläfer vortäuschte. Tavi drehte sich um, duckte sich und griff nach seinem Dolch, aber aus der Dunkelheit heraus riss ihm jemand die Waffe aus dem Gürtel, rammte Tavi hart mit der Schulter und warf ihn zu Boden. Der Angreifer stürzte sich auf ihn, im nächsten Moment drückte Tavi ein Knie auf die Brust, und er spürte die kalte Klinge seiner eigenen Waffe an der Kehle.
    »Licht«, sagte jemand leise, und plötzlich erstrahlte eine uralte trübe Elementarfunzel an der Wand in rötlichem Licht.
    Der Mann, der auf Tavi hockte, war, was Größe und Körperbau anging, eher unscheinbar. Sein braunes Haar, durchsetzt mit Grau, fiel strähnig auf die Schultern und ins Gesicht, und Tavi konnte kaum die dunklen Augen dahinter funkeln sehen. Eines erkannte Tavi jedoch genau: die grauenhafte Narbe einer Verstümmelung, mit der in der Legion jene verunstaltet wurden, die der Feigheit für schuldig befunden worden waren. Um den Hals trug der Mann einen alten Sklavenring aus Leder. Die Unterarme waren schlank und sehnig und mit weißen Narben übersät. Manche waren klein und stammten offensichtlich von den Brandwunden, wie sie sich ein Schmied bei der Arbeit erwarb, andere waren
gerade und dünn, so wie jene, die Tavi beim alten Giraldi in Kaserna oder bei Ritter Miles gesehen hatten.
    »Faede«, sagte Tavi, den wegen des Überraschungsangriffs leichte Panik befallen hatte. Sein Herz klopfte heftig. »Faede, ich bin es.«
    Faede hob das Kinn und starrte ihn an, dann ließ er den jungen Mann frei. »Tavi«, sagte Faede mit belegter Stimme, der man anhörte, dass er gerade noch geschlafen hatte. »Wehgetan?«
    »Nein, nein«, sagte Tavi.
    »Schleichst herum«, sagte Faede vorwurfsvoll. »Schleichst in mein Zimmer.«
    Tavi setzte sich auf. »Ja. Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.«
    Faede drehte den Dolch um und reichte ihn Tavi mit dem Griff nach vorn. Der junge Mann nahm seine Waffe zurück und schob sie in die Scheide. »Schlafen«, sagte Faede, gähnte und fügte ein leises Heulen hinzu.
    »Faede«, sagte Tavi. »Ich kann mich an die Wehrgänge von Calderon erinnern. Du spielst doch nur. Ich weiß, du bist gar kein geistesverwirrter Idiot.«
    Faede antwortete mit einem dümmlichen Grinsen. »Faede«, bestätigte er fröhlich.
    Tavi starrte ihn an. »Lass es sein«, verlangte er. »Du kannst dein Geheimnis für dich behalten, wenn du möchtest. Aber beleidige nicht meinen Verstand mit deinem Versteckspiel. Ich brauche deine Hilfe.«
    Daraufhin wurde Faede für eine Weile ganz still. Schließlich legte er den Kopf schief und fragte, nun mit tiefer Stimme: »Wofür?«
    Tavi schüttelte den Kopf. »Nicht hier. Komm mit, ich werde es dir erklären.«
    Faede seufzte tief. »Gaius.«
    »Ja.«
    Der Sklave schloss kurz die Augen. Dann ging er zu seiner
Truhe und holte einige Gegenstände sowie eine Decke hervor. Er drückte kräftig auf den Boden der Truhe, woraufhin ein hohles Knacken ertönte. Nun nahm er eine Scheide heraus und zog ein kurzes, gerades Schwert blank, den Gladius eines Legionare . Faede überprüfte die Waffe im schwachen Licht, schob sie wieder in die Scheide, legte einen weiten alten Mantel aus abgewetztem Sackleinen an und verbarg die Waffe darunter. »Fertig.«
    Tavi ging voraus durch die Korridore der Akademie zu dem am nächsten gelegenen Geheimgang, der in den oberen Bereich der Tiefen und fast bis zur Zitadelle führte. Der Eingang zu den Tiefen war keine Geheimtür im eigentlichen Sinne, doch lag er im Dunkel eines besonders engen und gewundenen Gangs, und falls jemand nicht wusste, wo man suchen musste, war die niedrige, schmale Öffnung zur Treppe so gut wie unsichtbar.
    Durch ein Gewirr wenig benutzter, feuchter und kalter Gänge ging es weiter. Kurz erreichten sie sogar die unterste Ebene der Tiefen und unterquerten die Mauern der Zitadelle. Sie kamen zu einer Treppe, die hinunter zur Meditationskammer des Ersten Fürsten führte, und sie folgten den Stufen nach unten. Bei jedem Posten wurden sie von einem wachsamen Legionare angesprochen. Tavis taten längst die Beine weh, doch zwang er sich, die Klagen seines

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