Im Schatten des Fürsten
Legion nichts ausrichten kann. Wie weit ist es noch bis Aric-Hof?«
»Wir treffen dort vor Mittag ein«, sagte Bernard.
»Du wirst dir dieses Lager anschauen wollen, von dem Aric gesprochen hat, nicht?«
»Natürlich«, antwortete Bernard. »Bevor es dunkel wird.«
»Warum überlässt du das nicht deinen Ritter Aeris?«
»Weil meiner Erfahrung nach, Windreiterin, Ritter Aeris eine Menge entgeht, das sich unter Ästen und Laub befindet, wenn sie hoch in der Luft darüber hinwegschweben.« Er lächelte wieder. »Außerdem: Warum soll ich auf den Spaß verzichten?«
Amara zog die Augenbrauen hoch. »Dir macht das Spaß«, erwiderte sie vorwurfsvoll.
Bernard ließ den Blick wieder aufmerksam durch den Wald schweifen und zuckte mit den Schultern. »Der Winter war lang. Und seit ich zum Grafen Calderon ernannt wurde, konnte ich nur wenige Stunden draußen im Freien verbringen. Ich hatte keine Ahnung, wie sehr mir das fehlen würde.«
»Du bist verrückt«, sagte Amara
»Ach, komm schon«, meinte Bernard. »Gib es doch zu, es ist aufregend. Dieses geheimnisvolle, unbekannte und gefährliche Wesen. Eine Bedrohung des Reiches vielleicht. Die Gelegenheit, dieses Wesen herauszufordern und zu besiegen.«
»Gute Elementare«, seufzte Amara. »Du bist schlimmer als ein kleiner Junge.«
Bernard lachte, und obwohl es fröhlich klang, schwang doch eine unterschwellige Bedrohung mit. Seine Nackenmuskeln spannten und entspannten sich mit den Bewegungen des Pferdes, und die kräftigen Hände hielten den großen Bogen. Wieder einmal staunte Amara über die Größe dieses Mannes, und sie erinnerte sich an seine Kräfte. Und an seine Fähigkeit zu töten. Er hatte etwas Wölfisches an sich, etwas, das sein Lächeln wie eine Maske wirken ließ, unter der ein viel grimmigerer Mann lauerte. Einer, dem der Geschmack von Blut nichts ausmachte.
»Amara«, sagte er, »meine Heimat ist in Gefahr. Ich weiß, was auf dem Spiel steht. Und ich werde mich dieser Bedrohung stellen, niemand sonst soll die Verantwortung dafür übernehmen müssen.« In seinen Augen, die zwischen Grün und Haselnussbraun changierten, spiegelte sich dunkle Rinde und frisches Laub. Gefährlich und strahlend zugleich. »Ich bin ein Jäger. Ich werde dieses Wesen aufspüren und festsetzen. Und wenn der Erste Fürst genug Hilfe schickt, werde ich es vernichten.«
Diese nüchternen Worte, in denen seine Wildheit kaum mehr zum Ausdruck kam, beruhigten Amara eigenartigerweise. Die Spannung in ihren Schultern ließ nach, und ihre Hände hörten auf zu zittern.
»Außerdem«, fuhr Bernard fort, »ist es ein wunderschöner Morgen, um mit einem hübschen Mädchen übers Land zu reiten. Warum sollte mir das keinen Spaß machen?«
Amara verdrehte die Augen und grinste, doch in ihrem Kopf hallten Serais Worte wider.
Du musst ihn natürlich aufgeben.
Sie holte tief Luft und setzte eine neutrale Miene auf. »Ich denke, wir sollten uns nicht ablenken lassen, Exzellenz. Deine Aufmerksamkeit sollte deiner Pflicht gelten.«
Bernard blinzelte und sah sie überrascht an. »Amara?«
»Wenn du mich entschuldigst, Graf«, erwiderte sie höflich, lenkte ihr Pferd aus der Reihe und ließ die Kolonne passieren. Einen Moment lang spürte sie Bernards Blick auf sich ruhen, doch sie ignorierte ihn.
Sie wartete, bis die Karren vorbeigerumpelt waren, um ihr Pferd neben Dorogas riesigen Garganten zu lenken. Doch das Tier näherte sich dem Ungetüm nicht weiter als bis auf zwanzig Fuß, sosehr Amara sich auch bemühte.
»Doroga«, rief sie zu dem Häuptling der Marat hinauf.
»Der bin ich«, antwortete er. Er beobachtete belustigt, wie sie mit ihrem unruhigen Pferd kämpfte. »Möchtest du etwas?«
»Mit dir reden«, sagte sie. »Ich hatte gehofft …« Sie unterbrach
sich, als ihr ein Ast ins Gesicht peitschte. »Ich hatte gehofft, ich könnte dir ein paar Fragen stellen.«
Doroga lachte dröhnend. »Du lässt dir noch den Kopf abreißen. Dein Häuptling Gaius wird mir dafür die Haut vom Leibe ziehen.« Er nahm ein geflochtenes Lederseil und ließ es von der Sattelmatte hängen, wo es bis knapp mannshoch über dem Boden baumelte. »Komm herauf.«
Amara nickte ihm zu und reichte einem Mann vom Wehrhof die Zügel. Sie stieg ab und lief hinüber zu dem Garganten, schnappte sich das Seil und kletterte hoch. Doroga packte mit seiner riesigen Pranke ihren Unterarm und zog sie auf die Sattelmatte.
»Na«, dröhnte Doroga und wandte sich wieder nach vorn. »Sieht aus, als hätte Bernard
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