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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dieser Schlagetot zwar oft wechselte, aber immer ein untrügliches Kennzeichen besaß: Er war einen Kopf größer als die meisten um ihn herum. Zweitens pflegte Iver einen Geschäftstag damit abzuschließen, dass er eine der zahlreich herumschwärmenden Hübschlerinnen mitnahm und in einer Seitengasse die Dienste genoss, die sie ihm bieten konnte, wenn sie vor ihm kniete (auf diese Weise hoffte Iver vermutlich, dem Schicksal von Walters Patienten auf Dauer zu entgehen). Als Barbara den kahl geschorenen Hinterkopf erblickte, der in der Menge schimmerte und sich langsam vorwärts bewegte, atmete sie auf und versuchte zugleich, ihren Herzschlag zu beruhigen, der plötzlich schneller ging. Sie heftete den Blick auf den hoch gewachsenen Mann, der sich nach links und rechts umsah, sodass sie immer wieder Teile seines Profils zu sehen bekam: einen kurz gestutzten blonden Bart, braun gebrannte Haut … sie kannte ihn nicht. Aber er bewegte sich so gemächlich vorwärts, wie Iver es zu tun pflegte.
    Als sich eine Lücke auftat, schob Barbara sich näher heran und prallte sofort wieder zurück. Iver stapfte neben dem Mann her, anstatt ein paar Schritte vor ihm. Wenn der Händler seine Gewohnheiten nicht geändert hatte, dann … sie drehte sich so unauffällig um wie möglich. Tatsächlich, der Leibwächter war hinter ihr, auch er ein großer Mann, doch in ihrem Eifer hatte Barbara nur auf den blondbärtigen Hünen geblickt. Offensichtlich war er ein Käufer oder Verkäufer, der Ivers Dienste suchte. Sie duckte sich seitlich weg und spähte verstohlen zu Ivers Bewacher. Dieser schien entweder zu träumen oder übernächtigt oder sein Geld nicht wert zu sein. Seine Blicke schweiften zwar unablässig über die Menge, doch seine Augen waren leer und stumpf.
    Barbara spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach. Das wäre beinahe schief gegangen, noch bevor sie richtig angefangen hatte. Sie wandte sich wieder Iver und dessen Begleiter zu, die durch die Lücke in der Menge schlenderten.
    Der Hüne mit dem blonden Bart hatte sich umgedreht und sah genau in ihre Richtung. Seine Augen leuchteten hell in seinem sonnverbrannten Gesicht. Barbara wich unwillkürlich zurück. Die Miene des Mannes war argwöhnisch; er musste ihre Blicke gespürt haben. Barbara zog das Tuch straffer um ihre Schultern und blinzelte aus der Deckung zu ihm hinüber, während seine Blicke nun den Bereich hinter ihr absuchten. Schließlich zuckte er mit den Schultern und hob die Augenbrauen, und plötzlich wirkte er freundlicher und jünger und wie einer, der ebenfalls auf der Suche war.
    Iver war stehen geblieben. Der Kahlgeschorene richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf ihn. Iver machte eine Handbewegung, welche die ganze Menge umfasste. Barbara konnte nicht hören, was er sagte, aber die Geste machte es deutlich: Ich werde mich mal umhören. Der kleine Mann legte die Hände hinter dem Rücken zusammen und deutete ein kurzes Kopfnicken an: Der Hüne war entlassen. Offenbar hatte er etwas anzubieten gehabt; Käufern gegenüber verhielt Iver sich unterwürfiger. Der große blonde Mann schob sich seitwärts aus der Menge. Was Barbara von seiner Miene sehen konnte, wirkte enttäuscht. Wenn er gehofft hatte, gleich heute zum Abschluss seines Handels zu kommen, hatte er sich den falschen Partner ausgesucht. Er drehte sich nochmals zu Iver um, der bereits weitergegangen war und so tat, als habe das Gespräch nie stattgefunden. Zu ihrem Erstaunen sah Barbara, dass der Blonde ein leeres Schwertgehänge an der Seite trug.
    Die Glocken begannen zur Messe zu läuten, und die ziellose Bewegung der Menge verwandelte sich in ein Schieben, Schlurfen und Vorwärtsdrängen zu den Portalen. Barbara schloss hastig zu Ivers Leibwächter auf und schlich hinter ihm her. Wie sie geahnt hatte, schlug Iver die entgegengesetzte Richtung zu all den Leuten ein – die Messe begann für ihn erst nach Abschluss aller Geschäfte. Am Rand des Domplatzes stolzierten ein paar Frauen scheinbar ziellos herum. Iver stapfte in ihre Richtung. Rote und gelbe Bänder flatterten in Haaren und Gewändern. Barbara drückte sich in eine Nische und beobachtete Iver, wie er mit einer der Hübschlerinnen handelseinig wurde.
    »Die heilige Messe war überaus erbaulich, mein liebes Kind«, sagte Iver. Barbara stellte fest, dass sie vergessen hatte, wie geschwollen Iver sich auszudrücken pflegte. »Nun freue ich mich darauf, dass auch du mich erbaust.«
    Er musterte sie von oben bis unten. »Und gleich ausgezogen

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