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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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nicht drüber reden, oder?«
    »Nein.«
    »So schlimm kann es doch gar nicht sein.«
    »Nichts ist mehr schlimm in dieser Lage.«
    »Also dann …«
    »Ich will nicht darüber reden!«
    »Jungejunge …«
    Plick … von schräg vorn … plickplick … von hinten … und von links war dieses unregelmäßige Tropfen, das zwischendurch stets einmal Atem zu holen schien … plick … Stille, dann: plickplickplick, als wüsste das Wasser, dass es ein paar Takte ausgelassen hatte und sie nun nachzuholen wünschte.
    »Ich hätte sie dir zeigen können!«, sagte Ulrich und fuchtelte in die Finsternis hinein. »Codices, manche mit goldglänzenden Rücken und Schnallen, in die kleine Edelsteine eingelassen sind. Schriftrollen, die knistern, wenn man sie öffnet. Und das Geklacker der Siegel, wenn sie aneinanderstoßen … manchmal ist es wie eine Melodie. Und erst die irischen Bibeln! Jede Kapitale ein Kunstwerk, jede Umrandung ein Schmuckstück, jede Illumination schöner als die wirkliche Welt. Laien dürfen normalerweise nicht ins Archiv, aber ich hätte dich schon reingeschleust. Hätten wir Sankt Albo zurückgebracht, hätte Vater Remigius uns keinen Wunsch abgeschlagen! Diese Schönheit, diese Gelehrsamkeit, dieses Wissen, dieses Teilen, das die Männer praktizierten, die dieses Wissen besaßen, indem sie es niederschrieben und uns überließen …«
    Ulrich sah die Regalreihen deutlich vor sich, in denen die Schätze seines Archivs standen – diesmal kein Spuk der Augen, sondern etwas, das seine Seele ihn erblicken ließ. Er lächelte in die Finsternis.
    »Das habe ich mir mein Leben lang gewünscht – mich inmitten dieses Wissens und dieser Schönheit aufzuhalten und beides zu bewahren. Nicht, um etwas hinzuzufügen, o nein! Auch nicht, um etwas zu verbessern, der Herr bewahre! Ich wollte es nur beschützen und archivieren, damit es auch anderen zugänglich sei, und um mich damit umgeben zu können. Mein Leben als Archivar war glücklich, mein Freund. Solange ich dort war, fehlte es mir an nichts …«
    Selbst das Warten auf den Tod konnte langweilig werden. Ulrich experimentierte damit, die Augen zu schließen und wieder zu öffnen, um festzustellen, ob es einen Unterschied gab. Es gab keinen. Mit der Hand vor den Augen herumzuwedeln, hatte er längst aufgegeben. Geisterhaft, und als drifteten sie durch einen Ozean aus Zeit und Raum, drangen die Stimmen und das Gelächter, die er schon vorher gehört hatte, an seine Ohren. Er verzichtete darauf, Jörg zu fragen, ob er die Geräusche ebenfalls vernahm. In einer derartigen Situation war einem das Himmelreich vielleicht so nahe, dass man die Stimmen der Engel hörte … oder das Gelächter der Teufel … wer konnte schon von sich behaupten, dass er so frei von Sünde war?
    Augen zu.
    Augen auf.
    Langsam wurde die Nässe am Hintern unangenehm.
    Ulrich seufzte.
    Augen zu.
    Augen auf …
    »Ich war nicht vor Akkon«, sagte Jörg.
    »Und am Saleph, wo der Kaiser drei Wochen nach der Schlacht von Ikonion ertrank?«
    »War ich auch nicht.«
    »Hmmm«, machte Ulrich. »Ich glaube, ich habe irgendwas nicht richtig verstanden.«
    Er spürte, wie Jörg sich in der Schwärze neben ihm bewegte. Eine erstaunlich lange Zeit schwieg der Ritter … so lange, dass Ulrichs Gedanken abdrifteten. In der Dunkelheit und der absoluten Tatenlosigkeit war es beinahe unmöglich, in Strukturen oder in einer gezielten Richtung zu denken.
    »Das ist keine Beichte«, sagte Jörg.
    »Gut.«
    »Ich möchte trotzdem, dass es unter uns bleibt.«
    »Unter uns – und Gott, der alles weiß.«
    »Durchfall.«
    Ulrich schwieg und wartete auf eine weitere Erklärung, die nicht kam. »Aha«, machte er schließlich. Er hörte, wie Jörg sich heftig am Kopf kratzte.
    »In Gallipoli«, sagte Jörg zuletzt. Dann schwieg er wieder.
    »Gallipoli.«
    »Ach was«, brach es plötzlich aus Jörg hervor, »was soll das Gerede. Daran gibt’s nichts zu beschönigen. Wegen des verdammten byzantinischen Kaisers und seinem ängstlichen Hin und Her musste das Heer von Kaiser Rotbart über die Dardanellen setzen statt über den Bosporus. Wir hatten den ganzen Winter in Adrianopel verbracht und rückten im März nach Gallipoli, wo der Byzantiner Lastschiffe bereitgestellt hatte, damit wir dort über die Meerenge schifften, und ja nicht bei Konstantinopel. Natürlich dauerte es ein paar Tage, bis alles verschifft war, und da ich unter denen gewesen war, die sich auf den ersten Schiffsladungen befanden, trieb ich mich in dem

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