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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Seeräuberkaff herum, das Gallipoli gegenüberliegt. Dort wurde ich vergiftet.«
    »Vergiftet?«
    »In einer Herberge«, brummte Jörg. »Ich war mit ein paar Gefährten zusammen. Wir kamen an einer Schänke vorbei und wollten was trinken. Vom Trinken kam der Hunger, und wir hatten Geld genug, dass wir den Wirt dazu bringen konnten, auf den Markt zu gehen und was zu Essen zu kaufen, was er dann für uns zubereitete. Er brachte Fisch mit, und irgendein geröstetes Fleisch mit Zwiebeln. Die anderen aßen den Fisch, aber ich hatte so meine Zweifel, ob der frisch war, also hielt ich mich an das Fleisch. Das Zeug war so scharf, dass mir erst das Maul brannte, dann die Innereien, und als ich wenig später hinter einem Felsen hockte, da brannte es erst recht, und ich sag dir nicht, wo. Die anderen hatten keinerlei Schwierigkeiten mit dem Fisch … angeblich soll er sogar recht gut gewesen sein. Ich dagegen … Jungejunge.«
    »War das Fleisch verdorben?«
    »Keine Ahnung. Es war so viel von dem teuflischen Gewürz daran, dass man es nicht mal gemerkt hätte, wenn man stattdessen Pferdeäpfel gegessen hätte.«
    »Oder die Zwiebeln«, sagte Ulrich. »In großer Hitze soll man keine Zwiebeln essen.«
    »Dann müssten die Pilgerfahrer allesamt leichtes Spiel gehabt haben, denn die Burschen dort unten fressen den lieben langen Tag Zwiebeln.« Jörg seufzte. »Jedenfalls saß ich nach kurzer Zeit schon wieder, und die Abstände wurden immer kürzer und das Gelächter meiner Gefährten immer lauter, bis sie mich hocken ließen, wo ich hockte, und sagten, ich würde den Weg zurück zu unseren Unterkünften ja allein finden, und ich solle doch so gut sein und meine Haufen so setzen, dass man mit ihrer Hilfe den Weg zur Schänke wiederfinden könne.«
    »Haha«, machte Ulrich mitleidig.
    »Genau. Haha. Die nächsten Tage lag ich entweder wie tot auf meinem Lager oder rannte hinter den nächsten Felsen. Ich konnte nicht mal Wasser und Wein bei mir behalten. Als das Heer aufbrach, baten meine Gefährten mich, ich solle meine Haufen so setzen, dass das Heer sich auf dem Rückmarsch leichter zurechtfände, sobald ich nachkäme.«
    »Wie hast du den Anschluss ans Heer wiedergefunden?«
    Jörg schwieg. Ulrich wartete. Dann dämmerte ihm, was das Schweigen bedeutete. »Du hast gar nicht …?«
    »Mönche nahmen sich meiner an und pflegten mich gesund. Inzwischen hatte ich mein Pferd und einen guten Teil meiner Ausrüstung drangeben müssen, damit die Schweinehunde, bei denen ich zuerst krank gelegen war, sich um mich kümmerten. Bis ich einen alten Klepper aufgetrieben hatte, den ich die längste Zeit hinter mir her zerren musste, weil er mich nicht tragen konnte, kam schon die Kunde, dass der Kaiser ums Leben gekommen und das Heer bei der Syrischen Pforte beinahe aufgerieben worden war, und ich ging zurück und wartete darauf, dass die Engländer und Franzosen kämen, denen ich mich anschließen wollte.«
    »Aber soviel ich weiß, landeten die Flotten von König Richard und König Philipp August in Akkon.«
    »Das wusste ich dann auch – als es zu spät war.«
    Ulrich verhielt sich still, doch Jörgs Geschichte war offenbar zu Ende. Er dachte darüber nach, was er ihm als Trost mitgeben konnte.
    »Deine Gefährten haben unrecht an dir gehandelt«, sagte er schließlich. »Es hätte sich gehört, dass sie dich gesund pflegten und dann mit dir gemeinsam aufbrachen.«
    »Meine Gefährten«, erklärte Jörg, »sind allesamt auf dem Marsch nach Antiochia umgekommen.«
    »Oh«, machte Ulrich.
    »Ja, so ist es. Jungejunge, dass ich mich beinahe zu Tode geschissen habe, hat mir das Leben gerettet.«
    Plick … plick … plickplickplick. Wären die Geräusche der Wassertropfen regelmäßiger gewesen, hätte man daran die Sekunden abzählen können, die sie auf dem Weg zum Morgen und zur Wiederkehr von Bruder Antonius schon hinter sich gebracht hatten.
    Plick … plick …
    Einen unregelmäßigen Rhythmus hatte dieser Totentanz.
    Ulrich dachte an Jörgs Gefährten, die ihn auf so derb-lustige Art verspottet hatten, und an das kurze, kaum wahrnehmbare Schwanken in Jörgs Stimme, als er über ihren Tod gesprochen hatte.
    »Die Klostergemeinschaft ist meine Familie; die Bücher im Archiv sind aber, als wären sie Teile von mir selbst«, hörte er sich plötzlich sagen. »Wenn wir Sankt Albo nicht zurückbringen, wird die Gemeinschaft zerfallen, und ich verliere meine Familie. Wenn die Gemeinschaft zerfällt, wird aber auch das Archiv untergehen; es

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