Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)
Weg nach Hause war, hätte er eigentlich in die andere Richtung gehen müssen.«
»Vielleicht wollte er sich ein bisschen die Beine vertreten.«
Mit gespieltem Erstaunen riss Jan die Augen auf. »Machen diese Leute so etwas? Ich dachte, die fahren immer mit der Kutsche.«
Moritz schaute zu seinem Vater hinüber. »Könntest du nicht … Du könntest doch mal …« Er wusste nicht, wie er seine Bitte formulieren sollte. »Ich meine, du könntest dich doch mal im Hafen umhören. Vielleicht spricht man dort über den Mord.«
Johann Forck stopfte umständlich seine Pfeife. »Was gehen uns die Probleme der reichen Leute an?«
»Der arme Roger sitzt im Gefängnis. Er ist mein Freund, und er ist unschuldig. Ich will ihm helfen.«
»Nee, nee, das mach ich nicht. Die Leute werden sagen, der alte Forck ist verrückt geworden. Er kümmert sich um die Reichen, seit sein Sohn Kontorlehrling geworden ist.«
So ist dem Vater nicht beizukommen, dachte Moritz.
»Ich habe mich heute mit der Tochter meines Patrons unterhalten. Sie sagt, dass ihre Mutter nicht mehr in dieser Gegend bleiben will, wo so viel Gesindel wohnt. Wo ständig Mörder und Totschläger unterwegs sind.«
Johann Forck richtete sich auf. Kerzengerade saß er da, seine Augen blitzten. »Was meint sie mit dieser Gegend ? Welche Gegend ?«
»Na, die Gegend eben, in der dieser Elbrand umgebracht wurde. Vielleicht meinte sie die Hafengegend, der Herrengraben reicht ja fast bis zum Binnenhafen.«
Der Quartiersmann trommelte ärgerlich mit den Fingern auf die Tischplatte.
»Und dann hat Madame Schröder noch gesagt, dass sie vielleicht wegziehen wollen.«
»Wegziehen? Wohin?«
»Was weiß ich. Wegziehen eben. Jedenfalls weg aus dieser Stadt, wo ein Mörder frei herumläuft.«
»Und dein Lehrvertrag?«
Moritz schwieg. Er blickte auf die Tischplatte, die wohl niemand mehr gescheuert hatte, seit Mutter krank war. Der Vaterpaffte hektisch und nebelte sich in eine Tabakswolke ein. Moritz wartete.
»Wenn ihr euch nicht umhören wollt, werde ich es selbst machen«, sagte er schließlich.
Dem Quartiersmann fiel vor Schreck die Pfeife aus dem Mund. »Bist du verrückt, Junge? Mit Mördern ist nicht zu spaßen. Wer einmal mordet, macht es auch ein zweites Mal.«
»Ich werde Roger helfen!«
Johann Forck blickte unschlüssig zu seinem älteren Sohn hinüber. Der hatte inzwischen den letzten Rest aus dem Topf gekratzt.
»Fragen kostet nichts«, sagte Jan.
Der Vater ließ sich Zeit. Er schaute erst auf Moritz, dann horchte er eine Zeit lang zur Kammertür hin. »Gut, gut. Am Wochenende haben wir eine Quartiersmannsversammlung. Dort werde ich die Sache vorbringen. Man wird mich allerdings für verrückt erklären.« Er verzog gequält das Gesicht. »Und es könnte mich meinen guten Ruf kosten.«
Moritz lehnte sich erleichtert auf der Küchenbank zurück. Dieses Problem war erst einmal gelöst. Doch wirklich zufrieden war er nicht, denn da war noch das zweite Problem. Bei dem konnten ihm jedoch weder sein Vater noch Jan helfen, damit musste er ganz allein fertig werden. Das war nicht leicht, denn er kannte sich wenig mit Mädchen aus vornehmem Hause aus. Er kannte sich überhaupt nicht gut mit Mädchen aus.
Nachdem Cäcilie im Kontor wie eine Rachegöttin aufgetreten war, hatte sie Moritz über das Gespräch beim Mittagessen im Detail informiert. Das war natürlich streng geheim, und so verwunderte es Moritz nicht, dass Cäcilie ganz nahe an ihn heranrückte. Am Anfang hatte er noch zugehört, doch dann schienen seine Ohren zu versagen. Alles, was sie sagte, war irgendwie in Watte gepackt. Dafür schienen seine anderen Sinne extrem geschärft. Diese Nähe, diese Wärme, dieser Geruch! Irgendwie roch sie nach Blumen, Frühlingsblumen, welche,wusste er nicht. Cäcilie roch ganz anders als seine Mutter, obwohl diese auch gut roch.
Cäcilie musste wohl ein fürchterlich schlechtes Gewissen bekommen haben, weil sie das Gespräch ihrer Eltern an ihn, einen Fremden, weitergegeben hatte. Jedenfalls schwankte sie plötzlich, lehnte sich schwer an ihn, war ganz außer Atem. Schließlich raffte sie sich auf, schleppte sich zur Tür und stieg wortlos die Treppe hinauf.
Zurück blieb ein verwirrter Lehrling, der sich fragte, warum ihn ihre Wärme und ihr Geruch mehr beschäftigten als ihre Beinahe-Ohnmacht.
7
Trotz der schrecklichen Vorkommnisse gingen die Geschäfte bei Schröder & Westphalen ihren gewohnten Gang, wenn auch nicht so reibungslos wie zuvor. Roger
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