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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Rath
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sagte sie nichts, sie schaute ihn immer noch mit ihren großen Augen an. Dann lehnte sie ihren Kopf gegen seine Schulter. Es zwickte ihm im Bauch, er war sich überhaupt nicht sicher, ob es richtig war, was er getan hatte. Als er die Nässe auf seinem Hemd spürte, wusste er, dass sie weinte.
    Plötzlich fiel ihm etwas ein. Er schob Jette sanft von sich, griff in die Tasche und zog eine Papiertüte hervor.
    »Für dich.«
    Jette wischte die Tränen fort und fuhr sich mit dem Handrücken unter der Nase entlang. Sie griff in die Tüte, holte das Pluderstück heraus und schaute Moritz fragend an.
    »Nun iss schon.«
    »Nur, wenn wir teilen.«
    Moritz fand das überflüssig, doch er wusste aus einer früheren Zeit, damals mit Cäcilie, dass es manchmal besser war, Frauen nicht zu widersprechen. Er brach ein ganz kleines Stückchen vom Plunderteig ab.
    Jette hatte ihr großes Stück schneller verdrückt als Moritz sein Krümelchen. Jetzt lächelte sie, schob den Bauch vor und rieb sich zufrieden darüber. »So etwas Gutes habe ich noch nie gegessen«, sagte sie.
    Das erste Mal an diesem Tag war Moritz glücklich.

19
    Moritz hatte gerade der »Liste der Leiden des Roger Stove« einen weiteren Strich hinzugefügt, als es unten auf der Diele polterte. Kontorvorsteher Harms blickte auf die große Standuhr und zog ob der frühen Stunde erstaunt die Augenbrauen hoch. Dann klappte er das Kontorbuch zu, streifte die Ärmelschoner ab und rückte seinen Gehrock zurecht. Mit wichtiger Mine blickte er sich im Kontor um, räusperte sich und ging gemessenen Schrittes auf die Treppe zu.
    Er war dort noch nicht angekommen, da schnaufte Caesar Schröder schon die Stufen hinauf, im Schlepptau einen Mann. Der trug die Kleidung von Roger Stove, die ihm allerdings reichlich weit war und über den Schultern hing, als hätte man sie unachtsam über einen Kleiderständer geworfen. Der Mann ging etwas vornübergebeugt und hatte ein graues Gesicht   – aber es war eindeutig Roger Stove.
    Alexander ließ die Feder fallen, stürzte sich auf den Engländer, drückte ihn an seine Brust. Fast hätte er ihn zu Fall gebracht. Moritz stellte sich neben Roger und strich ganz leicht an dessen Arm entlang. Harms griff nach der rechten Hand des so lange Entbehrten, drückte sie aufrichtig, wollte etwas sagen, schluckte aber stattdessen nur heftig. Er hatte ein warmes Leuchten in den Augen, ganz kurz nur, doch für jedermann sichtbar.
    »Du bist dünn geworden«, sagte Alexander nach einem kritischen Blick. »Dünn und von ungesunder Gesichtsfarbe. Aber in korrekter Kleidung, wie es sich gehört.«
    Roger hüstelte. » Well, ich komme gerade von zu Hause. Ich musste die Wäsche wechseln. Die Gefängniskleidung ist nicht   …, wie soll ich sagen   …, nicht die allerneueste Mode.«
    Jetzt ergriff Caesar Schröder das Wort. »Wir wollen den Besuch kurz machen. Herr Stove ist noch sehr geschwächt nachseinem langen Aufenthalt unter diesen   …«, auch er suchte nach dem richtigen Begriff, »diesen gewöhnlichen Menschen. Er wird die Arbeit noch nicht wieder aufnehmen können, sondern sich schonen müssen. Ich hätte Herrn Stove gern zu einem Kuraufenthalt in der Schweiz geraten, doch er darf die Stadt nicht verlassen. Er muss sich jeden Tag bei der Torwache melden.«
    »Ich dachte, er wäre frei und rehabilitiert«, sagte Alexander enttäuscht.
    »Ich bin nur gegen eine Sicherheit freigekommen. Mein Vater hat Geld geschickt.«
    Als der Patron und Roger gegangen waren, klappte Moritz sein Pult hoch und nahm die Liste heraus. Er kreuzte den letzten Strich durch. Darunter schrieb er: »Roger ist wieder da. Endlich! Er sieht krank aus. Es muss schrecklich sein, unter all den Verbrechern und Mördern zu leben. Hoffentlich wird er wieder gesund.«
    Harms brachte ein Schreiben, das kopiert werden musste. Moritz gab sich alle Mühe, doch er war so aufgeregt, dass die Buchstaben ganz zittrig auf dem Papier standen.
    Wieder dröhnte der Klopfer durchs Haus. Ein Laufbursche stolperte atemlos die Treppe herauf und drückte dem Kontorvorsteher eine Notiz in die Hand. Harms trat mit säuerlicher Mine vor Moritz hin.
    »Kapitän Westphalen hat angeordnet, dass wir sofort zum Steinhöft eilen sollen, sozusagen stehenden Fußes, ohne Verzug. Die H ENRIETTE ist nach langer Fahrt in ihren Heimathafen zurückgekehrt, nach glücklicher Reise, wie ich wohl zu Recht annehmen darf.« Er machte eine Pause und blickte auf seine schlanken Hände. »Jetzt soll die Mannschaft vor

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