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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Rath
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wenig Lebensmittel verabreicht?«, fragte der Wasserschout, sein lauernder Unterton war nicht zu überhören.
    »Nein, das war nicht der Fall.«
    »Waren die Lebensmittel verdorben, verunreinigt oder aus anderen Gründen nicht zum Verzehr geeignet?«
    »Sie waren wohl in Ordnung, als sie an Bord kamen.«
    Wasserschout Jenssen kam von seinem Sitz hoch. Er stemmte die Fäuste auf den Tisch. »Über was wollen Sie sich dann beschweren, Mann?«
    »Das Essen war eine Schweinerei. Ein Schlangenfraß! Das hätte ein Bauer nicht einmal seinen Schweinen vorgeworfen. Es   –«
    Eine herrische Geste unterbrach den Wortschwall des Matrosen. »Der allgemeine Schiffsgebrauch bestimmt, dass Lebensmittel in ausreichender Menge und guter Qualität zu verabreichen sind. Dass das Essen schmackhaft sein muss, ist nicht vorgeschrieben.« Jenssen ließ sich zurückplumpsen, der Stuhl ächzte unter seinem Gewicht. »Beschwerde abgewiesen!« In Ermangelung eines Hammers schlug er mit der Faust auf den Tisch.
    Die Mannschaft murrte unwillig.
    Bedauerlicherweise gab es beim nächsten Seemann schon wieder eine Verzögerung. Zwar hatte dieser keine Beschwerde vorzubringen, doch der Kapitän erhob Einsprung gegen eine ordnungsgemäße Abmusterung. »Dieser Mann hat eine Eintragung wegen beharrlichen Ungehorsams bekommen.«
    »Was ist vorgefallen?«
    »Er ist nicht pünktlich zum Dienst erschienen. Zweimal.«
    »Ich war krank!«, schrie der Seemann empört.
    Der Wasserschout schlug wieder auf den Tisch. »Sie reden nur, wenn Sie gefragt werden!« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Zweimalige Gehorsamsverweigerung sind zwei Monatsheuern Gehaltsabzug. Beschlossen und verkündet!«
    Kopfschüttelnd schaute Jenssen zu Kapitän Westphalen hinüber. »Wer krank ist, bestimmt immer noch der Kapitän«, sagte er halblaut. »Wo kämen wir denn hin, wenn das jeder für sich entscheiden würde?«
    Die Seeleute murrten, diesmal lauter und heftiger als zuvor.
    »Wenn hier nicht gleich Ruhe herrscht«, donnerte der Wasserschout durch den Raum, »schließe ich die Sitzung. Dann können Sie in einer Woche wiederkommen und Ihre Heuer abholen.«
    Schlagartig trat Stille ein. Feindselige Stille zwar, aber immerhin Stille, denn niemand wollte riskieren, eine Woche lang ohne Geld an Land herumzuhängen.
    Endlich war die Abmusterung beendet. Kapitän Westphalen lud den Wasserschout, den Kapitän und die Schiffsoffiziere zum Essen in eine nahegelegene Gastwirtschaft ein, wie es der Brauch vorschrieb. Im Hinausgehen sagte der Klabautermann zum Kapitän der H ENRIETTE : »Ich werde dafür sorgen, dass dieser unfähige Koch nie wieder auf einem meiner Schiffe anmustert.«
    Harms packte die Geldschatulle und das Heuerbuch in die Kiste mit den Eisenbändern. Er schloss sorgfältig die Riegel und vergewisserte sich zweimal, ob sie wirklich eingerastet waren. »Ich fahre zum Kontor zurück. Wenn du das Protokoll in Reinschrift übertragen hast, aber ordentlich, wenn ich bitten darf, kommst du sofort in die Große Reichenstraße. Es gibt viel zu tun.«
    Moritz nickte pflichtschuldigst.
    Es war still geworden am Steinhöft. Moritz nahm seine Brote, schlenderte zu einem Stapel Bretter am Kai, sein Blick strich über den Binnenhafen. Jetzt, zur Mittagszeit, ruhte die Arbeit auf den Schiffen, die Matrosen waren zum Essen in ihre Logis gegangen, die Schauerleute hatten es sich an Deck bequem gemacht. Sie löffelten ihren Eintopf aus dem Henkelmann, den die Frauen und Kinder an Bord gebracht hatten.
    Hinrich Quast kam zu ihm, einen Priem Kautabak zwischen den Zähnen. Er blickte über den Hafen, trat an die Kaikante und spuckte den braunen Tabaksaft ins Wasser. Dann setzte er sich ebenfalls auf den Bretterstapel. Der Mann und der Junge schauten über den Binnenhafen.
    »Die Matrosen haben eine Menge Geld ausbezahlt bekommen«, sagte Moritz.
    »Klar, nach einem Jahr Arbeit.«
    Moritz überschlug die Summe. »Wie lange es wohl dauert, bis sie alles ausgegeben haben?«
    Hinrich Quast zuckte mit den Schultern. »Es reicht höchstens für eine Woche. Dafür werden die zweibeinigen Landhaie schon sorgen.«
    Es muss sehr anstrengend sein, so viel Geld in so kurzer Zeit auszugeben, dachte Moritz. »Hätten Sie nicht Lust, wieder zur See zu fahren?«
    Hinrich Quast biss so heftig auf den Priem, dass seine Kieferknochen deutlich hervortraten. Er blickte mit zusammengekniffenen Augen zu den Seglern hinüber, spuckte dann wieder ins Wasser. »Nein, das ist vorbei. Mein letztes Schiff

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