Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)
Speicher mit seinen dicken Mauern ist so sicher wie eine Burg.
Sein Blick schweifte durch das Zimmer mit den zierlichen Möbeln und blieb schließlich am Himmelbett haften. Die geblümten Vorhänge waren zurückgezogen und auf der dicken Daunendecke lagen zahlreiche Kissen verteilt.
Cäcilie stieß ihm den Ellenbogen zwischen die Rippen. »Starr nicht so auf mein Bett«, zischte sie. »Mama bekommt einen Anfall, wenn sie das sieht.«
Über ihnen waren Schritte und das Knarren der alten Winde zu hören. Die stammte aus der Zeit, als das Haus noch als Warenspeicher genutzt worden war. Beim Umbau hatte man sie stehengelassen.
Jetzt senkte sich vor Cäcilies Zimmer ein Kranhaken herab.
»Nicht so schnell! Ich muss das Seil auf Festigkeit prüfen«, rief Kapitän Westphalen, der gemeinsam mit dem Gärtner und Hinrich Quast auf dem vierten Boden an der Winde arbeitete.
Inzwischen waren auch Anna Louise Schröder und das Hausmädchen ins Zimmer gekommen.
»Ist es soweit?«, fragte Madame aufgeregt.
»Noch nicht ganz, Frau Mama. Sie können ruhig näher kommen und in das Fleet hinunterschauen. Es ist aufregend.«
Madame Schröder streckte abwehrend die Hände von sich. »Nichts dergleichen werde ich tun. Und du kommst sofort von dieser gefährlichen Luke weg.«.
Nachdem Cäcilie den Platz freigemacht hatte, trat Moritz an die Kante. Weit unten im Fleet lag eine Schute, in der eine große Holzkiste stand. Soeben schlang der Ewerführer ein Seil um die Kiste und hakte es in den Kranhaken ein.
»Alles bereit?«, rief Kapitän Westphalen von oben.
Aus den darunterliegenden Stockwerken wurde seine Frage in sehr unterschiedlicher Weise beantwortet.
»Alles bereit«, rief Caesar Schröder, der die Doppeltür in der Diele besetzt hielt.
»Wenn der Prinzipal es wünschen, werde ich meine Kraft, meinen Körper, all meine Sehnen und Muskeln …«, flötete Harms aus dem Kontor im ersten Obergeschoss.
»Nun macht schon!«, unterbrach ihn Alexander aus dem Salon im zweiten Stock. »Es zieht. Ich will hier nicht ewig stehen.«
»Wir sind auch bereit«, rief Moritz zum Klabautermann hinauf.
»Dann – los!«, kommandierte Kapitän Westphalen.
Das Seil straffte sich, die alte Winde knarrte und rumpelte, und langsam löste sich die schwere Last von der Schute. Aus der Diele heraus dirigierte Caesar Schröder die Kiste mit einem Spazierstock, damit sie nicht gegen die Hauswand schlug. Beim ersten Boden gab es jedoch einen ungeplanten Stopp.
»Was ist los?«, rief der Klabautermann ärgerlich.
»Die Kiste hat sich gedreht«, jammerte der Kontorvorsteher, »sie ragt zur Hälfte ins Kontor.«
»Landratte«, zischte Kapitän Westphalen. Und dann lauter: »Caesar, geh ins Kontor hinauf und hilf diesem unfähigen Menschen.«
Schließlich war die Kiste frei. Über sich hörte Moritz das Husten von Hinrich Quast und das Stöhnen des Gärtners. »Wie kanndas Ding nur so schwer sein«, presste der alte Mann zwischen den Zähnen hervor. »Mademoiselle sollte lieber Violine …«
»Ruhe!«, dröhnte der Bass des Klabautermanns dazwischen. »Wenn hier einer redet, bin ich es.«
Jetzt war die Ladung genau vor der Luke im dritten Stock. »Stopp!«, rief Moritz. Er schlang das bereitliegende Seil um die Kiste und reichte das Ende an Cäcilie, Madame und das Hausmädchen weiter.
Während sich die Last langsam senkte, zogen die vier sie in den Raum. Alexander und Caesar Schröder kamen schwer atmend nach oben, doch da stand die Kiste bereits auf den Dielen.
»Ist schon praktisch«, sagte Alexander anerkennend, »wenn man den Sohn eines Quartiersmanns im Hause hat.«
Alle versammelten sich in Cäcilies Zimmer. Nicht wirklich alle, denn dem Gärtner, dem Kontorvorsteher und Hinrich Quast hatte man den Zutritt verwehrt. Alexander und Moritz stemmten die Kiste mit einer Brechstange auf und legten das Klavier frei. Cäcilie drängte sich mit einem Freudenschrei nach vorn, klappte den Deckel hoch und spielte eine kleine Melodie. Die Anwesenden lauschten andächtig.
»Das war sehr schön, Cäcilie«, sagte Caesar Schröder voller Anerkennung.
»Das Klavier muss gestimmt werden«, maulte sie.
Moritz beschäftigte sich bereits wieder mit den Briefentwürfen, als Alexander und der Klabautermann ins Kontor traten. Sie waren in ein Gespräch vertieft und nahmen keine Notiz von dem Lehrling.
»… du verstehst die Frauen nicht«, sagte Kapitän Westphalen gerade. »Seit dieser Franz List in Hamburg aufgetreten ist, sind die Damen
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