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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Rath
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gesehen worden.«
    »Woher willst du das wissen? Du hast doch Hausarrest.«
    Cäcilie warf den Kopf zurück. »Ich habe meine Quellen.«
    »Die haben Roger und mich angesprochen, nicht wir sie.«
    Sie wischte die Verteidigung mit einer ärgerlichen Handbewegung beiseite. »Sei vorsichtig. Ich kenne die drei. Die sind nicht gut für dich.«
    »Ich habe kein Wort mit ihnen gesprochen.«
    Cäcilie piekste mit dem Zeigefinger in Moritz Richtung. »Ich warne dich, Moritz Forck. Geküsst wird hier. Und nirgendwo anders. Merk dir das.«
    Sie stapfte die Treppe hinauf, es hörte sich an, als wäre der Klabautermann unterwegs. Dabei trug sie gar keine Schuhe mit Holzsohlen.
    Eigentlich hätte Moritz noch den Sand auffegen und die Tintenfässer füllen müssen, doch mit einem Mal fühlte er sich unfähig zu dieser Arbeit. Er lehnte sich gegen das Pult und starrte auf die Tür zum oberen Stockwerk. Was war das denn nun wieder gewesen? Erst diese liebevollen Küsse und dann der Wutausbruch. Er schüttelte heftig den Kopf, in der Hoffnung, seine Gedanken damit ordnen zu können. Immerhin, dachte er, ich habe sie gespürt, ohne Korsett, einfach so. Wie unmoralisch. Wie aufregend. Wie überaus erfreulich.
    Plötzlich kam ihm Jette in den Sinn. Jette hatte er noch nie so angefasst, obwohl sie sicherlich kein Korsett trug, ja nicht einmal eines besaß. Vielleicht sollte ich Jette auch einmal so anfassen, dachte er. Und mit den Fingern spazieren gehen. Doch sie ist so dünn, so zerbrechlich. Und Brüste hatte sie bestimmt noch keine.
    Überhaupt war es mit Jette ganz anders. Wenn sie ihre Lippen aufeinanderdrückten   – unten am Dovenfleet bei den alten Speichern und nicht mehr auf der Treppe, denn die alte Stehr klopfte gegen die Scheibe und zeterte, sobald sie sich auch nur an den Händen fassten   –, wenn sie also ihre Lippen aneinanderpressten, konnte er stundenlang so stehen, ohne weiche Knie zu bekommen. Ihr gleichmäßiger Atem strich dann über seinen Bartflaum, es kitzelte etwas, aber nicht sehr. Es war wie die Dünung des Meeres, von der der Klabautermann erzählt hatte. Immer gleich, immerwährend, endlos.
    Ach, Jette.
    Moritz fegte die Sanddüne unter Rogers Pult zusammen. Verstehe einer die Frauen aus reichem Hause, dachte er. Erst habe ich Cäcilie gerettet, und nun beschimpft sie mich. Da ist mir Jette doch lieber. Bei ihr ist alles so einfach, die liebt mich mit der Beständigkeit eines   … eines   … eines Felsens.
    Er füllte die Tintenfässer auf.
    Mit der Beständigkeit eines Felsens geliebt zu werden, ist schön. Sehr, sehr schön. Aber leider nicht aufregend.
    Cäcilie finde ich aufregend, vielleicht sogar ein bisschen zu aufregend. Man müsste die beiden mischen, Jette und Cäcilie. Danach schütteln und wieder trennen. Das würde eine ideale Verbindung ergeben.
    Er nahm die Kerze, stieg in die Diele hinunter, löschte sie, vergewisserte sich, dass der Docht nicht noch glimmte, und trat auf die Straße hinaus.
    Nein, mischen geht auch nicht. Dann habe ich zwei ideale Freundinnen, und es ist noch schwieriger, sich für eine von beiden zu entscheiden. Dann küsse ich lieber Cäcilie im Kontor und Jette bei den alten Speichern am Dovenfleet.

27
    Mit einem Mal war es ungewöhnlich warm geworden. Zu warm für diese Jahreszeit. Drohend und unbeweglich hingen dunkle Wolken über der Stadt.
    Die Dünste der Fäkalien aus den Fleeten breiteten sich in den Straßen, Twieten und engen Gassen aus.
    Herta Forck rümpfte die Nase und schloss die Fenster. Jetzt war es zwar stickig im Haus, aber wenigstens stank es nicht mehr so stark.
    »Kein Wind macht schlechte Laune«, schimpfte Johann Forck, »und schlechte Laune ist nicht gut fürs Geschäft.«
    Selbst Jan, der sonst immer fröhlich war, blickte missmutig in den Hof hinunter. »Wird eine elende Schinderei werden heute«, brummte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Moritz hing kraftlos auf der Küchenbank. Zum ersten Mal war er froh darüber, dass er bald im Kontor stehen konnte, ohne sich groß bewegen zu müssen.
    Auf dem Weg zur Arbeit blieb er einen Augenblick auf der Kornhausbrücke stehen und schaute in das Doovenfleet hinunter. Stauwasser. Das ölig schillernde Nass stand unbeweglich im Fleet. Zwei Ewerführer mühten sich ab, eine schwerbeladene Schute ins Fleet zu staken. Der eine Mann blickte zu Moritz hoch, fuhr sich übers Gesicht, der sonst übliche kurze Gruß unterblieb.
    Vom Hamburger Berg trotteten Arbeiter in Richtung Hafen. Aus

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