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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Rath
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über die Elbe ins Hannoversche entkommen.«
    Die Menge der Zuschauer vergrößerte sich mit jeder Minute. Die einen brüllten ihre Wut und Enttäuschung hinter dem Flüchtling her, die anderen fragten immerzu, was eigentlich los sei.
    Der Mann in dem Ruderboot hatte bereits die an den Pfählen liegenden Schiffe passiert und steuerte auf die Elbe hinaus.»Kaum zu glauben, dass der so kräftig rudern kann«, wunderte sich Moritz, »dünn wie der ist.«
    »Das ist die Todesangst«, sagte Hinrich Quast, »die verleiht Riesenkräfte. Er weiß, dass er gehängt wird, wenn sie ihn erwischen.«
    Auf dem Kai herrschte jetzt angespannte Stille. Mit bangen Blicken verfolgten die Leute das Rennen zwischen dem Mörder und den Jollenführern. Doch kurz darauf war nichts mehr zu sehen, denn mit dem ablaufenden Wasser trieben die Boote elbabwärts und verschwanden hinter den Schiffen aus dem Blickfeld. Der Pulk der Zuschauer hastete den Steinhöft zurück und auf die Vorsetzen hinaus. Am Kai gab es ein kurzes Gerangel um die besten Plätze. Moritz und Hinrich Quast hatten einen der beiden Holzstapel erklommen, auf dem anderen stand Sergeant Heißig und feuerte die Verfolger an.
    Die Jollenführer waren inzwischen bis auf einige Bootslängen an den Mann herangekommen. Sie waren allesamt kräftige Männer, Rudern war ihr Beruf, außerdem rissen immer zwei Mann an den Riemen. Der Bootsdieb schaute sich um. Es war nicht mehr weit bis zur Hannoverschen Seite, er legte sich noch kräftiger in die Riemen. Doch auch die Jollenführer steigerten ihr Tempo. Der Mann machte noch ein paar verzweifelte Züge, dann hatten ihn die Ruderboote eingekreist. Einer der Jollenführer wollte zu dem Flüchtigen ins Boot springen und nach ihm greifen, doch der Mann riss ein Ruder hoch und schlug damit wie wild um sich.
    Schweigend und verbissen tobte der Kampf auf der Elbe, der Verbrecher gebärdete sich wie rasend. Über das Wasser hinweg waren das Geräusch von aufeinanderschlagenden Hölzern und das Gebrüll der Männer zu hören. Es krachte dumpf, wenn die Boote gegeneinanderstießen. Das Kampfgetümmel fand seinen Widerhall in den Anfeuerungsrufen der Menge, die   – sicher und fest am Kai stehend   – die Jollenführer zu noch mehr körperlichem Einsatz anfeuerte.
    Einer von ihnen versuchte gerade, unter dem Schutz seiner Kollegen das Boot des Diebs zu entern. Er hatte schon ein Bein hinübergestreckt, als ihn ein wütend geführter Schlag gegen die Brust traf. Der Mann schrie auf, fiel zurück und blieb auf der Ruderbank liegen. Die Männer am Kai stöhnten, als wären sie selbst getroffen worden.
    Vom Wasser her schallte ein vielstimmiges Wutgebrüll herüber. Hatten die Jollenführer bisher die Absicht gehabt, den Dieb lebend zu fassen, so ließen sie jetzt jede Rücksicht fallen und schlugen wie von Sinnen auf den Mann ein.
    Der parierte die Schläge mit seinem Ruder und wich in dem schwankenden Boot geschickt aus, doch gegen die Übermacht konnte er auf Dauer nicht bestehen. Seine Gegenwehr erlahmte zusehends, dann traf ihn ein kräftiger Hieb am Kopf. Der Mann schwankte, das Ruder entglitt seinen Händen, er riss die Arme hoch und kippte, ohne einen Ton von sich zu geben, rücklings ins Wasser.
    In diesem Augenblick erstarrte alle Bewegung auf der Elbe und an Land. Die Jollenführer blickten aufs Wasser, die Riemen immer noch kampfbereit in den Händen haltend. Auch die Männer an Land versuchten etwas zu entdecken, den Kopf vielleicht oder den treibenden Körper, doch da war nichts.
    Schließlich nahmen die Jollenführer ihre Plätze ein, fuhren die Riemen aus und suchten die nähere Umgebung des Kampfplatzes ab. Auch sie erwarteten wohl das Auftauchen des Mannes, möglicherweise ein dahintreibendes Kleiderbündel, wenigstens ein Kräuseln des Wassers. Doch der große Strom floss unbeeindruckt vom Gezänk der Menschen in immerwährendem Gleichmaß dem Meer zu.
    Schließlich stellten die Männer die Suche ein und ruderten zum Binnenhafen zurück. Der im Kampf verletzte Jollenführer lag blass und röchelnd im Bug eines Bootes, die Hände vor der Brust zusammengekrampft.
    Sergeant Heißig nahm seine Mütze ab und faltete die Hände. Dann blickte er zu Hinrich Quast und zu Moritz hinüber. »Den Mörder hat die göttliche Gerechtigkeit ereilt. Den werden wir wohl nicht wiedersehen.«
    »Freuen Sie sich nicht zu früh«, rief der Schiffszimmermann zurück, »den bekommen Sie bestimmt wieder. Morgen oder spätestens übermorgen wird er auf den

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