Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
die Soldaten. »Ihr drei, erschießt jeden dieser Polizisten, wenn sie nicht sofort verschwinden!«
    Drei der Soldaten nehmen ihre Gewehre auf und zielen. Ihren Bewegungen und den grimmigen Gesichtern nach zu urteilen sind sie abgehärtete Veteranen und keine unerfahrenen Rekruten. Die Polizisten rühren sich nicht von der Stelle und schauen Hilfe suchend zu ihrem Vorgesetzten.
    »Das wagen Sie nicht«, sagt der Kommandant und blickt mich vorsichtig prüfend an. Offenbar ist auch ihm aufgefallen, wie die Soldaten ihre Waffen handhaben.
    »Versuchen Sie es, Kommandant. Wir werden sehen, was passiert.«
    Er bewegt nur die Augen und mustert einen Soldaten nach dem anderen. »Verdammte Tschetschenen«, schimpft er und zieht die Silben in die Länge. Das Wort Tschetschenen ist als Beleidigung gemeint. Es wird in letzter Zeit häufig für Kriegsheimkehrer benutzt.
    »Auf meinen Befehl«, weise ich den Soldaten an, der mir am nächsten steht. »Schießen Sie dem verdammten Pavian ins Knie.«
    Der Soldat korrigiert die Zielrichtung seines Gewehres. Stiefelleder knarrt, einer der Polizisten zuckt zusammen. Schwer atmend brummt der Kommandant irgendetwas Unverständliches. Seine Füße stehen wie angewurzelt auf dem Boden, aber er schwankt, sichtbar hin und her gerissen, was er tun soll. Wassertropfen platschen auf den Beton, während der Augenblick sich bis an die Grenze der Belastbarkeit hinzieht. Sein Blick trifft meinen, hält kurz inne, flackert und weicht dann aus.
    »Wegtreten!«, befiehlt er durch zusammengepresste Lippen. Während seine Männer sich in ihren Fahrzeugen in Sicherheit bringen, sagt er: »Ich weiß jetzt, wer ihr seid. Eure Gesichter merke ich mir!« Er zieht seine geballte Faust mit solcher Wucht nach unten, dass sie seinen Körper mitzureißen scheint, aber seine Worte klingen nicht sonderlich überzeugt. »Das hier ist noch nicht vorbei. Bei Weitem nicht.«
    Ohne mich noch mal anzuschauen, geht er zum Wagen zurück, schlägt die Tür zu und rollt mit den anderen die Rampe hinunter.
    Als sie außer Sicht sind, sackt Golko in sich zusammen und wischt sich den Schweiß aus den Augen.
    »Sind Sie wirklich Militärermittler?«
    Er nickt.
    »Warum reagieren Sie dann so, als hätten Sie noch nie eine Leiche gesehen?«
    »Nur auf Fotos und im Leichenschauhaus. Ich bin Jurist. Ich untersuche Kriegsverbrechen. Ich war noch nie auf einem Schlachtfeld.«
    »Schlachtfelder sind nicht immer das, was man sich darunter vorstellt.«
    »Was soll das bedeuten?«
    »Das bedeutet, dass Sie sich gerade auf einem befinden, ob es Ihnen bewusst ist oder nicht.«

7
    Ich entferne mich einige Schritte von Golko und präge mir die Szene ein letztes Mal ein. »Sie müssen viel zu tun haben «
    »Hm?«
    »Gab viele Kriegsverbrechen zu untersuchen in letzter Zeit.«
    »Ja – ja, ich hatte sehr viel zu tun.«
    Damit, sie zu vertuschen, wahrscheinlich. Wenn etwas aus dem Ruder läuft, gibt sich das Militär alle Mühe, es zu verdecken, mit Unterstützung einer wohlgesonnenen, wenn nicht sogar extra hinzugerufenen Presse und einer Öffentlichkeit, der man beigebracht hat, Tschetschenen – und alle »Schwarzen«, wie viele die Menschen im Kaukasus nennen – als niedere Lebensform anzusehen.
    »Haben Sie schon mal eins strafrechtlich verfolgt?«
    Golko scheint sich unwohl zu fühlen. Der Gerichtssaal ist heute gleichzeitig Schutzschild und Schwert, und der Kreml nutzt ihn, um seinen militärischen Besitz zu verteidigen und seine Feinde niederzuschlagen. Golkos Dienste werden zweifellos so in Anspruch genommen, wie es dem Kreml am besten passt – oder, was die Einsätze der Fünfundachtzigsten Armee betrifft, dem General.
    »Ich befolge nur meine Anweisungen.«
    »Kennen wir das nicht aus Nürnberg?«
    Er wird wieder rot. »Egal, auf wessen Seite ich bin, ich mache meine Arbeit, so gut ich kann. Was zum Teufel versteht jemand wie Sie schon davon?«
    Ich drehe mich weg, damit er mein Gesicht nicht sieht. Er hat allen Grund, wütend zu sein. Golko hat sich als robuster erwiesen, als ich dachte. »Sie haben recht, Leutnant. Meine Hände sind sehr viel schmutziger als Ihre.«
    Der Soldat, den wir vorhin losgeschickt haben, kommt die Treppe hochgelaufen und überreicht mir eine grüne Einwegkamera. Ich mache ein Foto von der in Blut geschriebenen Zahlenreihe im Kofferraum, stecke die Kamera in die Jackentasche und wende mich an Golko.
    »Bringen Sie den Mercedes an einen sicheren Ort, wo Sie ihn auf Fingerabdrücke, Fasern, Haare und so

Weitere Kostenlose Bücher