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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
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Material, Geld – , um einen langwierigen Krieg im Kaukasus zu führen. Dann wurde 1922, im Gründungsjahr der Sowjetunion, Tschetschenien als autonomes Gebiet anerkannt.«
    Offenbar macht es Golko Spaß, mir eine kleine Geschichtsstunde zu geben. Der Schneefall hat inzwischen nachgelassen, und der Verkehr wird weniger. Golko schaltet die Scheibenwischer aus, öffnet das Fenster, sodass ein eisiger Luftstoß hineinbläst, und holt die migalka herein.
    »Dubinin glaubte, dass sie eine Art Geschäft gemacht haben«, ergänze ich, damit er fortfährt.
    »Sieht ganz so aus. Eine seiner Quellen besagt, die Bolschewiken hätten die Anführer des tschetschenischen Widerstands mit einem Autonomieversprechen bezahlt, so illusorisch einem das im Nachhinein auch Vorkommen mag. Und, weil die Bolschewiken alles verachteten, was mit den Zaren zu tun hatte, bestachen sie die Kriegsherren außerdem mit den Schätzen der Romanows, unter anderem mit den Kaiserlichen Ostereiern.«
    Golko steuert um einen Truckanhänger herum. »Dubinin hat das Hennen-Ei über Scheich Hadschi aufgespürt, den Mann, den die Bolschewiken beschwichtigen mussten, um die Auseinandersetzungen im Kaukasus zu stoppen. Gespräche mit überlebenden Verwandten eines Kriegskameraden von Hadschi führten ihn zu einer Handelsfirma in Tiflis, die ein Schmuckstück mit dieser Beschreibung anbot ...« Er wedelt mit der Hand in Richtung der Aufzeichnungen.
    »›Ein goldenes Ei nebst einer mit Diamanten verzierten goldenen Henne und einem Saphir-Anhänger mit einem Diamantkreuz‹, steht hier«, lese ich vor.
    »Richtig. Das Ei ging aus Tiflis an einen Investor in Warschau, einen Mann namens Zuckerman. Zuckerman starb beim Aufstand im Warschauer Ghetto. Mit ihm verschwand auch jede Spur. Dubinin fand jedoch relativ aktuelle Hinweise von Schwarzmarkthändlern hier in Moskau, und er entdeckte eine Webseite mit einem Bild des Medaillon-Eis von Alexander III. – eines der Eier, die während der Revolution verschollen gingen – , aber beide Spuren führten ins Nichts. Dann bekam Dubinin den Anruf von Khanzad, der behauptete, dass Ei sei in seinem Besitz.«
    Wenn ich raten müsste, würde ich den Tipp abgeben, dass irgendein Soldat das Ei eingesteckt hat, als die Rote Armee zum Ende des Zweiten Weltkriegs durch Warschau zog. Danach verstaubte es wahrscheinlich mehrere Jahrzehnte lang in irgendeiner Schublade, bis ein geschäftstüchtiger Sohn oder eine Tochter es entdeckte und versuchte, es zu verkaufen. Irgendwo am Ende der Käuferkette bekam Khanzad es dann in die Hände.
    Ich ziehe Charlies Handy aus der Tasche und klicke mich durch das Bildermenü.
    »Dem Leichenbeschauer zufolge«, sagt Golko mit Blick auf die Straße, »starb Dubinin wahrscheinlich an Blutverlust; um sicherzugehen, stachen sie ihn mit dem kinzhal ab. Das Ding war siebenundzwanzig Zentimeter lang! Den Fahrer haben sie auch mit dem Dolch getötet und ihm dann eine Kugel in den Kopf gejagt.«
    In Stalins Lagern wurde die winterliche Leichenernte wie Klafterholz auf Schlitten gestapelt. Bevor sie weggeschafft und in fertig ausgehobene Gräber geschüttet wurden, spießte ein Wächter die gefrorenen Köpfe an einem szompol auf – einem dicken angespitzten Draht mit einem Holzpflock als Griff – , um sicherzugehen, dass niemand das Lager lebend verließ. Die Kugel für den Fahrer hatte eine ähnliche Funktion. Ein letzter Akt der Barbarei, damit auch bestimmt niemand am Leben bliebe und plaudern könnte.
    Golko zieht eine Grimasse. »Einige Männer tragen einen kinzhal zusammen mit einem schmaleren Messer in einer Extrascheide. Die kleineren Messer sind zum Häuten da.«
    Charlie hat einen Haufen Bilder und mehrere Videos auf ihrem Handy, aber abgesehen von dem Foto des Eis scheint keins etwas mit dem zu tun zu haben, wonach ich suche. Hunderte von Telefonnummern, alphabetisch geordnet. Ravi ist nur unter seinem Vornamen aufgelistet. Viele Nummern und Adressen aus Virginia und Washington, andere in Mailand, Madrid, Paris, Singapur, Hongkong, Beijing, Los Angeles, Athen – ein internationales Potpourri, das Charlies Globetrotter-Lifestyle widerspiegelt. Jetzt sitzt sie in einer Zelle unter dem Kreml.
    »Wollen Sie wissen, was sie sonst noch mit Dubinin angestellt haben?«, fragt Golko.
    »Ihn an eine Stromquelle angeschlossen und ihm ein paar tausend Volt durch die Eier gejagt. Ihm in aller Ruhe die Augen ausgestochen. Die Haut abgezogen. Habe ich irgendetwas Wichtiges ausgelassen?«
    »Nein«, sagt

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