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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
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er.
    Alle SMS – vorausgesetzt, Charlie hat von dieser Funktion Gebrauch gemacht – wurden gelöscht.
    Golko rutscht auf seinem Sitz herum und greift sich in den Schritt. »Wessen Handy ist das?«
    Das Anrufprotokoll endet vor mehreren Tagen, was sich mit Charlies Entführung deckt. Die Nummer eines der letzten Anrufe kommt mir bekannt vor, ist aber keinem Namen zugeordnet, was bedeutet, dass sie nicht eingespeichert ist. Die einprogrammierte Suchmaschine ist Google. Aber die Funktion, die die besuchten Webseiten anzeigt, ist deaktiviert.
    Ich gehe zurück zu Ravis Namen im Adressbuch und drücke auf »Details«. Auf dem Display erscheinen dieselben Informationen, nur anders dargestellt, und dazu ein Feld für Notizen. Darin steht eine Moskauer Nummer. Es ist dieselbe, die mir eben bekannt vorkam.
    Ich drücke die Taste »Anrufen«.
    »Northern Lights Begleitservice«, meldet sich eine sanfte und zugleich professionelle Stimme.
    Ich lege auf. Betätige einen Hebel, woraufhin mein Sitz herunterfährt und mir einen anderen Blickwinkel durch das Beifahrerfenster verschafft. Die Nacht ist kalt und klar. Weißbirken sausen vorbei wie eisige Schlieren unter einem samtenen Himmel. Ich schließe die Augen.
    »Ich dachte, Sie seien gerade erst aufgewacht?«
    »Ich brauche viel Schlaf.«
    Ich habe die Nummer meines eigenen Begleitservice nicht sofort erkannt, weil ich sie nie wähle. Die Einzige, mit der ich dort spreche, ist Alla, und entweder gehe ich direkt ins Lagerhaus oder ich rufe sie auf ihrem Handy an, obwohl ich in letzter Zeit beides nicht häufig genug getan habe.
    »Was haben Sie über das Ei unter Dubinins gehäutetem Gesicht herausgefunden?«, frage ich ihn.
    »Eine Firma im Ural stellt die Dinger fabrikmäßig her und vertreibt sie über Hunderte von Nippes-Verkäufern in Moskau und anderen Städten. Wie Sie schon sagten, nichts, was uns weiterbringt.«
    Das Nokia kündigt eine unterdrückte Nummer an. Ich gehe trotzdem ran. Inzwischen habe ich meine Fühler in zu viele Richtungen ausgestreckt, um Anrufe zu ignorieren.
    »Verdammt, Volk, seit zwei beschissenen Tagen versuche ich, dich zu erreichen.« Maxim Abdullaevs Stimme ist so tief, dass das Handy in meiner Hand zu vibrieren scheint. »Die chinesische Hure hat gesagt, sie hätte es dir persönlich ausgerichtet.«
    Ich habe seit Monaten nicht mit ihm gesprochen, aber der große Aseri schlägt gleich einen so vertrauten Ton an, als hätten wir erst vor einer Stunde telefoniert. Ich werfe einen Blick auf Golko, der so tut, als konzentriere er sich voll auf die Straße, dabei aber die Ohren spitzt wie eine Katze, wenn sie besonders angestrengt zuhört.
    »Sie meinte, du bräuchtest Hilfe«, sage ich zu Maxim. »Du brauchst nie Hilfe. Ich dachte, die Nachricht sei Quatsch.«
    »Kein Quatsch«, erwidert Maxim. »Ich habe ein Geschäft für dich. Komm vor Morgengrauen ins Swissôtel.«
    Er legt auf, bevor ich protestieren kann.
    »Was für ein Mann braucht nie Hilfe?«, fragt Golko.
    »Einer, der nichts zu verlieren hat.«
    »Oder einer, der sehr viel Macht hat.«
    Das Nokia vibriert, eine Nachricht. Es ist ein Bild, gesendet von der Nummer, die Valja mir gegeben hat. Ich drehe den kleinen Bildschirm von Golko weg und öffne die Datei.

26
    Selbst nachts ist Wladimir in Industriedunst gehüllt. Glimmende Partikel wirbeln im Schein der Flutlichter über einem Maschendrahtzaun, der ein Kraftwerk auf dem Weg in die Innenstadt umgibt. Schornsteine speien giftige Dämpfe aus, als wir von der Autobahn ab und auf eine breite Durchfahrtsstraße biegen, die um drei Uhr morgens so gut wie verlassen ist.
    Wir kommen an einem Busdepot und an einem leeren Bahnhof vorbei. Golko schaltet das Navigationssystem ein, grummelt etwas und wendet. Wir schlängeln uns durch Wohngebiete und fahren an einer wenig belebten Kreuzung über eine rote Ampel. Direkt danach sagt Golko, »Hier ist es«, und reißt das Steuer herum.
    Der Boden des Mercedes schrammt über den Rinnstein, als wir in eine Seitengasse hüpfen, die auf den Hof eines großen Gebäudes führt. Golko parkt neben einer mit Graffiti besprühten hohen Mauer und stellt den Motor ab. Einzige Lichtquelle ist ein etwa fünfzig Meter weit entfernter Strahler, der auf einen eingezäunten Abstellplatz mit drei – und vierfach übereinandergestapelten Fahrzeugkarosserien gerichtet ist.
    Golko sieht auf seine Notizen und zeigt auf eine schmale rechteckige, unten mit Aluminium und oben mit Schindeln verkleidete Behausung. »Melnik

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