Im Schatten des Kreml
strecke, die Sig mit beiden Händen umklammert. Der Fahrer glotzt mich durch die von einem Netz durchzogene Scheibe an. Ich jage ihm zwei Kugeln in sein schockiertes Gesicht, und die Windschutzscheibe fällt in einem Stück auf den Vordersitz, sodass ich deutlich den Beifahrer sehe, der seine Uzi hebt, um mich zu durchlöchern. Ich drücke zweimal ab, drehe mich auf den Rücken und feuere blind zwischen den Knien hindurch.
Die Glasscheibe einer Ladenfront zerspringt. Niemand ist zu sehen. Ich wirble herum und ziele auf das Taxi, das willkürlich geparkt mitten auf der Straße steht, die Türen weit aufgerissen. Meine nächsten beiden Schüsse pusten ihm die Fenster heraus.
Der Motorradfahrer rennt von seiner qualmenden Maschine weg, eine Pistole baumelt an seinem Handgelenk. Ungeschickt rapple ich mich hoch, stelle mich auf die Haube und gebe einen Schuss ab, und dann noch einen, bis er getroffen zu Boden sinkt. Jetzt ist nur noch eine Kugel in der zehnschüssigen Sig. Ich ziehe ein neues Magazin aus dem Gürtel und suche die Umgebung nach potenziellen Zielen ab.
Gerade als ich das leere Magazin austauschen will, höre ich ein metallenes Klicken hinter mir im Wagen. Als ich mich umdrehe, schaue ich direkt in den Lauf einer Uzi, die über den Vordersitz lugt. Ich jage meine letzte Kugel in den Sitz, im selben Moment, als die Uzi Flammen spuckt. Die Hitze der vorbeisausenden Geschosse versengt mir die Wange. Die Schüsse hören abrupt auf, und ich lasse das Magazin fallen; da taucht kurz ein Kopf auf und verschwindet wieder, wie ein Schachtelmännchen. Ein zweiter Mann auf dem Rücksitz!
Ich werfe die leere Sig weg, fingere wie ein Verrückter nach dem Messer in meiner Prothese und stürze durchs offene Vorderfenster. Lande auf der zerbrochenen Windschutzscheibe und dem toten Fahrer. Strecke meinen Arm mit dem Messer über den Sitz und stochere wahllos drauflos. Die Klinge trifft auf Fleisch.
»Stopp ihn! Erschieß ihn!«, brüllt jemand hinter mir.
Etwas trifft mein Bein. Ich hacke weiter mit dem Messer herum und steche es wieder und wieder in die beiden Männer auf dem Rücksitz. Einer von ihnen wirft schreiend die Arme in die Luft und versucht, die Klinge abzuwehren. Den anderen hatte wahrscheinlich schon meine letzte Kugel erwischt. Blut spritzt durch die Luft.
Ein zweiter Schlag trifft mich im Nacken, und alles scheint sich plötzlich zu verlangsamen. Das Messer wiegt schwer wie eine Hantel, ich kann es kaum noch bewegen. Hände zerren an meinen Schultern und Armen. Mehrere Stimmen brüllen etwas, aber ich kann nichts verstehen. Ich trete nach meinen Angreifern, doch das drückende Gewicht der anderen Körper im engen Fahrzeugraum und mein eigenes verebbendes Bewusstsein schwächen den Tritt ab. Ich bin gerade noch genug bei Verstand, um mich zu fragen: Wie viele von diesen Scheißkerlen sind da noch?
38
Alles ist dunkel, als ich zu mir komme. Ein Zyklon heult in meinem Schädel. Meine Hände und Füße sind zu schwer, um sie zu bewegen. Nein, nicht zu schwer – mit Metallklemmen an die dicken Arme und Beine eines massigen Holzstuhls gekettet. Mein Kopf hämmert, als wäre er mit einem Sandsack bearbeitet worden, aber während mein Gedächtnis langsam zurückkehrt, wird mir klar, dass mir jemand Tranquilizer verabreicht haben muss. Drogen sind besser als eine Kugel. Jemand hat einen hohen Preis dafür bezahlt, mich lebend zu bekommen. Ich schätze, ich habe mindestens fünf von ihnen erledigt, kommt drauf an, ob jemand im Taxi war, als ich hineingeschossen habe. Das reicht zwar nicht, falls mir die Haut vom Gesicht gezogen werden sollte, aber ein Haufen Toter ist besser als nichts. Vielleicht liegt es an den Drogen, aber irgendwie kann mich nicht mal der Gedanke an das, was mir wahrscheinlich bevorsteht, davon abhalten, wieder wegzudämmern.
Das Rasseln von Schlüsseln weckt mich. Ich brauche meine ganze Willenskraft, um den Kopf zu heben. Die Zellentür schlägt auf und lässt einen Strahl künstlichen Lichts herein. Einen Moment lang passiert sonst nichts. Meine Augen erfassen den hell erleuchteten Eingang und die tristen Gipswände. Vom Flur her donnern Schritte heran. Eine schmale Gestalt durchteilt das Licht, ein dunkler Streifen im grellen Schein. An der Decke geht eine Glühbirne an.
Ein ausgemergelter Mann mit leichenblassem Gesicht nimmt die Hand vom Lichtschalter und tritt ein, gefolgt von einem Lakaien mit hängenden Schultern und einem Verband um den Kopf. Das Leichengesicht sieht aus wie
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