Im Schatten des Kreml
anderen ihr Öl und ihr Geld haben.
Matthews sagt nichts mehr, als der Fahrstuhl sein Ziel erreicht. Die Bodyguards bringen uns in Maxims großzügige neue Suite, diesmal mit weitem Blick über den Kreml, die Moskwa und die Mariä-Verkündigungs-Kathedrale. Der große Aseri lässt uns mehrere Minuten im Salon warten, wahrscheinlich hört er sich gerade noch eine Übersetzung unseres Gesprächs im Fahrstuhl an. Als er in den Raum rollt, zieht Matthews kurz die Luft ein und stößt ein leises Pfeifen aus, das mir entgangen wäre, würde ich nicht direkt neben ihm stehen. Eine normale Reaktion, wenn man Maxim zum ersten Mal begegnet, auch wenn man ihn schon auf Fotos gesehen hat.
Als Maxim eine Partagas anschneidet, gleitet Mei aus dem Zimmer, aus dem er gerade gekommen ist. Sie trägt einen grauen Anzug, in dem sie aussieht wie eine Bankangestellte. Sie schnippt ein Feuerzeug an, und er beugt sich über die blaue Flamme und pafft an seiner Zigarre, bis sie brennt.
»General Electric?«, sagt Maxim zu niemandem Bestimmten. »Das gefällt mir.«
Matthews reagiert nicht auf die Nachricht, dass Maxim uns tatsächlich belauscht hat. Wahrscheinlich hat er es sich schon gedacht.
»Amerika und Russland kämpfen gegen den Islam, während die verdammten Chinesen die Welt erobern«, fährt Maxim fort und betrachtet genüsslich die Asche seiner Partagas. »Aber allmählich kapieren sie, wo es langgeht.«
Er bietet uns beiden eine Zigarre und einen Cutter an, aber keinen Platz. Ich lehne ab. Mei zündet Matthews’ an. Dann kommt sie zu mir herüber und sagt leise: »Es tut mir leid wegen Alla. Wir wussten, dass du in Gefahr bist, aber nicht, dass sie es auch ist.«
»Verstehst du jetzt die Politik, Volk?«, fragt Maxim quer durch den Raum.
»Ein wenig, aber nicht alles.«
Er nimmt einen tiefen Zug, dann schnippt er die Asche auf den Boden. »Erklären Sie es ihm, Amerika«, wendet er sich an Matthews, der einen Aschenbecher gefunden hat.
Matthews denkt kurz nach.
»Die Amerikaner und die Chinesen wollen – brauchen – einen sicheren Zugang zu Russlands Öl und Gas. Europa auch, aber dort ist die Infrastruktur größtenteils schon vorhanden. In den Anfangsjahren wurden eine Menge Vereinbarungen über die anteilige Ölförderung unterzeichnet, aber lange nicht genug. Die rapide zunehmende Korruption, die Angst des Kreml, die Reichtümer des Vaterlandes wegzugeben, die chinovniki – die Bürokraten All das und mehr hat bisher im Weg gestanden. Wir dachten, wenn Putin erst mal härter durchgreift, würden sich die Dinge ändern, und das taten sie auch, aber nicht so, wie wir es uns erhofft hatten. Der russische Energiesektor funktioniert jetzt nach einem neuen Modell, einem, das auf totaler staatlicher Kontrolle basiert.«
Matthews zieht an seiner Zigarre. Mir wird bewusst, dass er beim amerikanischen Geheimdienst ein höheres Tier ist, als ich bisher angenommen habe.
»Wir brauchen neue Rahmenbedingungen. Der private Sektor mit Unternehmen wie Kombi-Oil, in seiner neu strukturierten Form, muss eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Ressourcen und Infrastrukturen einnehmen. Der Kreml muss die Stabilität des Kapitals gewährleisten und Eigentumsrechte anerkennen.«
Der Raum ist voller Rauch. Mei gleitet zu einer Couch neben einem der Fenster, setzt sich, schlägt die Beine übereinander und sieht hinunter auf die Basilius-Kathedrale. Maxim knurrt, erwartet darauf, dass Matthews fortfährt.
»Der Kreml will feilschen«, sagt dieser plötzlich. »Sie wollen in die WTO. Sie wollen Unterstützung in ihrem Umgang mit abtrünnigen Republiken. Und sie wollen, dass Amerika aufhört, die NATO auszubauen und Raketen und Raketenabwehrsysteme an Russlands Grenzen aufzustellen.«
»Die Beziehungen haben sich verschlechtert«, führt Matthews weiter aus, der jetzt schneller redet. »Irak, Iran, Nordkorea, Venezuela, Südgeorgien, die Ukraine, Polen – es gibt viel zu viele Konfliktpunkte. Putin regt sich über Amerikas Unilateralität auf und will, dass Russland ein Gegengewicht in der Welt darstellt. Wir regen uns darüber auf, mit welcher Beharrlichkeit Putin Waffen und Nukleartechnik an Irre und Diktatoren liefert. Dann die Explosion im AMERCO-Gebäude.«
Er hält inne und verengt die Augen.
»Einige Leute glaubten, man könne Amerika einschüchtern, aber das Gegenteil war der Fall. Wir wussten, wer AMERCO angegriffen hat – es waren nicht die verdammten Tschetschenen – , und wir konnten uns denken, wer Charlie
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