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Im Schatten des Kreml

Im Schatten des Kreml

Titel: Im Schatten des Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihn zu mir heran und ramme ihm meine Faust in den Bauch. Während er zu Boden geht, rase ich in das gleißend weiße Licht von Studioscheinwerfern, die ein Set im Stil eines römischen Bades beleuchten. Niemand zu sehen. Ich laufe vorbei an anderen Sets, durch die Seitentür und den Flur mit den Webcam-Zimmern entlang, bis ganz ans Ende, wo zwei Polizisten vor der Tür zu Alias Büro stehen. Einer von ihnen zieht seine Automatik, während der andere in sein Walkie-Talkie spricht. Gerade, als ich sie erreicht habe, klopft er seinem Partner mit der Hand auf die Pistole und richtet ihm etwas aus; beide treten beiseite, bevor ich handgreiflich werden muss.
    Ich stürze durch die Tür.
    Cremefarbener Teppich, Mahagonimöbel und der Kandinsky-Druck – Blau, Orange, Gelb und ein Rosa, das aussieht wie verwässertes Blut. Wie das Blut, das in hohem Bogen an die Wand gespritzt ist.
    Das Sofa, die Sessel und der Couchtisch vor ihrem Schreibtisch wurden zur Seite geschoben, um Platz für Alias lang ausgestreckten Körper zu machen. Ich falle neben ihr auf die Knie, mitten in eine Blutlache hinein, gefangen vom blinden Blick ihrer einst meergrünen Augen. Ich bekomme keine Luft mehr. Ein Klumpen löst sich in meinem Hals zu etwas auf, das sich anfühlt wie geschliffenes Glas und Säure.
    Jemand hockt sich neben mich. »Es tut mir leid, Oberst«, erklingt eine Stimme von weit her. Barokov.
    Mango und Erdbeer. Der Duft von Alias noch warmen Kerzen bringt mich fast zum Weinen. Was für ein schrecklicher Verlust. Welch unglaubliche Verschwendung. Aber ich bin emotional zu ausgelaugt. Nicht einmal zu so etwas Simplem wie Trauer bin ich noch in der Lage. Und ich ertrage es nicht, sie anzusehen, jedenfalls nicht so genau, wie ich es müsste, wenn ich ihren Tod untersuchen wollte. Aber das wäre vergebene Mühe. Ich weiß ohnehin, wer sie getötet hat. Ich weiß nur nicht, wie sehr er sie hat leiden lassen.
    »War sie...?«
    Barokov meidet meinen Blick. »Wir wissen es erst nach der Obduktion.« Er steht jetzt aufrecht, so wie immer, wenn er eine schlechte Nachricht überbringen muss. »Aber wie es aussieht, ja.«
    »Okay«, sage ich, versunken in einem Schmerz, der mir ausweglos erscheint. »Okay, verstehe.«
    »Was?«, fragt Barokov. »Was haben Sie gerade gesagt?«
    Nach einer Weile dreht sich Barokov weg und brüllt der Horde von Polizisten draußen auf dem Flur Befehle zu. Mein Blick klärt sich langsam. Die Blutlache, in der ich knie, ist noch größer geworden. Das Muster auf dem Boden beschreibt den Verlauf ihres aussichtslosen Kampfes mit dem Mörder. Matthews steht schweigend in der Tür und blickt düster drein, den Mantel überm Arm, die Hände in den Jacketttaschen vergraben. Dies ist vielleicht sein erster schwacher Augenblick in meiner Gegenwart – und mit Sicherheit mein einziger in seiner und zum ersten Mal ist mir seine sonst zur Schau getragene selbstzufriedene amerikanische Siegesgewissheit nicht mehr zuwider, jene Gabe, die er von den früheren Generationen ererbt hat. Alles, was zählt, ist, dass er jetzt hier ist, freiwillig, und damit einer von denen, die zuerst dran glauben werden. Vielleicht ist er sogar mein Verbündeter, was bedeutet, dass er wahrscheinlich schon bald tot ist.
    »Das war Lachek«, wende ich mich an ihn, und meine Stimme hallt seltsam in meinem Kopf wider. Es fällt mir schwerer, auf die Füße zu kommen, als nach der Explosion im AMERCO-Gebäude.
    Barokov sieht mich an. »Sie wissen, wer sie getötet hat?«
    »Der Mann, der das getan hat, wollte sich an mir rächen. Sein Name ist Filip Lachek. Sie können ihm nichts anhaben.«
    Einer der beiden Polizisten, die die Tür bewacht haben, stürmt herein und fängt aufgeregt an, irgendetwas zu erzählen. Während Barokov sich um ihn kümmert, suche ich Maxims Nummer in der Anrufliste meines Nokias und wähle sie, in der Hoffnung, dass sie noch existiert. Jemand hebt ab, ohne etwas zu sagen.
    »Hier ist Volk«, melde ich mich.
    »Du bist also nicht tot.« Maxims Stimme ist so tief, dass sie fast immer gleich klingt, aber wenn ich nicht so sicher wäre, dass er zu keiner Gefühlsregung mehr fähig ist, hätte ich seinen Tonfall als erleichtert bezeichnet.
    »Wir wollten über Politik reden.«
    Sein Atem klingt wie ein Zug, der sich schnaufend eine lange Steigung hochkämpft. Er denkt schnell, aber offenbar muss er einen Haufen Entscheidungen fällen, was mich betrifft. Barokov steht inzwischen auf der anderen Seite von Alias Leiche und erteilt

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