Im Schatten des Kreml
entführt hat, auch wenn wir nicht wussten, wo sie war. Damit hatten wir ein Druckmittel gegen den Kreml und konnten Konstantin zeigen, dass es bessere Partner für ihn gab als die, mit denen er zu tun hatte. Plötzlich wollten sie verhandeln. Aber es gibt nicht unbegrenzt viel Öl. Wenn wir drin sind, müssen andere gehen. In diesem Fall eine Gruppe, an deren Spitze Hutsul, Lachek und ein paar andere Besitzer von Kombi-Oil stehen.«
Das ganze Bild kann ich noch nicht erkennen, aber was ich begreife, reicht schon, um mir auszumalen, was als Nächstes passierte: AMERCO, die China National Petroleum Company und Avisopor, Maxims neues Unternehmen, wurden als neue Mitglieder zugelassen, während die alte Garde von Kombi-Oil rausgeworfen wurde. Eine perfekte Partie für den Kreml – strategisch wichtige Partner auf Kosten von im Augenblick entbehrlichen. So wie wenn ein reicher Mann seine erste Frau für eine zwanzig Jahre jüngere Blondine fallen lässt.
Maxim zeigt mit der roten Spitze seiner Zigarre auf mich. »Verstehst du jetzt?«
»Lacheks Gruppe hat das AMERCO-Gebäude in die Luft gejagt?«
»Er und Hutsul«, bestätigt Maxim nüchtern, als wäre es die natürlichste Sache der Welt, dass Russen sich gegenseitig in die Luft jagen. »Damit die Amerikaner klein beigeben.«
»Wie in Rjasan.«
»So ähnlich«, sagt Matthews. »Lachek hat es geplant, und Hutsul, der Zugang zu den AMERCO-Büros hatte, hat die Bomben gelegt.«
»Wer hat Hutsul getötet?«, frage ich.
Maxim sieht zu Matthews hinüber, der den Rauch in Kringeln ausstößt, die über seinem Kopf aufsteigen. »Wir können nicht zulassen, dass die Leute unsere Firmen in die Luft jagen und amerikanische Bürger töten, ohne dafür zu bezahlen«, erklärt Matthews.
»Hmm. Habt ihr nicht so eine Redensart von wegen Kollateralschaden?«
»Ach, in dem Chor willst du mitsingen? Verschone mich bitte damit.«
Maxim grummelt etwas. »Menschen respektieren Macht«, sagt er schließlich, um unseren Wortwechsel zu beenden. »Amerika hat das endlich gelernt.« Er reißt den Kopf herum und weist hinter sich. »Komm mit, Volk.«
Er führt mich durch die Tür, aus der vorher er und Mei gekommen sind. Der dahinterliegende Raum ist als Schlafzimmer gedacht, aber die meisten Möbel wurden gegen eine Reihe von Computermonitoren an einem langen Tisch ausgetauscht. Auf mehreren Bildschirmen sind Tabellen und Aktienlisten von Märkten aus aller Welt zu sehen. Zwei Männer geben Daten ein, während ein anderer die Bilder mehrerer Videokameras auf einem Monitor überwacht. Als wir eintreten, klickt er gerade auf ein Fenster, um den Blick auf den Raum zu vergrößern, aus dem wir kommen und wo Matthews jetzt auf dem Sofa sitzt und sich mit Mei unterhält. Wir gehen weiter in ein angrenzendes Schlafzimmer, und Maxim schließt hinter mir die Tür.
»Wie lange arbeitest du schon mit den Chinesen zusammen?«, frage ich.
»Ein Jahr. Aber so richtig erst in den letzten drei Monaten, seit mir klar wurde, dass ich einen mächtigen Partner brauche. Es bedarf einer Menge politischer und wirtschaftlicher Erwägungen, um zu entscheiden, wo neue Pipelines gebaut werden.«
Maxim hat sich ungefähr zum selben Zeitpunkt mit den Chinesen zusammengetan, als Mei nach Moskau kam.
Wie zur Bestätigung sagt er: »Sie sind über das Mädchen auf mich zugekommen. In dem Punkt bin ich schwach. Genau wie du.«
»Ich kenne diese Schwäche nicht.«
»Bei der einen schon.«
Ich schaue aus dem Fenster auf eine Schute, die auf der Moskwa Kohle lädt.
»Öl, Politik, Geld – der ganze Mist interessiert dich doch nicht«, stellt Maxim sachlich fest.
Ich drehe mich wieder zu ihm um. »Nein.«
»Aber du kannst uns helfen, in den Bergen für Ordnung zu sorgen. Darin bist du gut, der Beste.«
Der General, Konstantin, Maxim – und, auf seine Art und aus anderen Gründen, Barokov – , sie alle schicken mich an denselben Ort.
»Ich habe von Alla gehört«, sagt Maxim.
Ich antworte nicht, fixiere nur über seine Schulter hinweg ein pastellfarbenes Aquarell mit einem Mädchen und einem Jungen, die in einem Boot über einen Teich rudern.
»Wer war das?«
»Lachek.«
Er nickt. »Brauchst du Hilfe?«
Alla liegt jetzt wahrscheinlich auf kaltem Stahl im Zimmer des Leichenbeschauers und wartet auf die Säge. »Ja. Du musst ihn für mich finden. Um den Rest kümmere ich mich.«
Er blickt grimmig auf das Ende seiner Zigarre und schnippt die Asche auf den Boden. »Schon erledigt.«
46
Die Straße nach
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