Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
Vom Netzwerk:
vorbei durchquerte Carya die Orangerie. Hier unten existierte noch einmal ein ganz eigener kleiner Park, der im Süden durch einen großen Teich und im Norden durch eine von Fenstern durchbrochene Mauer begrenzt wurde. Oberhalb der Mauer begann der große Hauptplatz. Dieser bildete also das Dach der hier untergebrachten Lagerräume und Gärtnerquartiere. Carya fragte sich, wie tief diese Räumlichkeiten unter den Platz reichten und wie viele solcher Untergeschosse es wohl noch rund um das Schloss geben mochte. Erst so langsam ging ihr auf, wie gewaltig das Domizil des Mondkaisers wirklich war. Das Schlossgebäude selbst stellte nur den Kern und herausragenden Teil des enormen Ganzen dar.
    Durch ein hohes Gittertor verließ sie diesen Teil des Parks und tauchte in eines der gestalteten Gartenstücke ein, die parzellenartig angeordnet und durch breite, schnurgerade Wege getrennt, auf etwa einem Quadratkilometer Fläche den westlichen Teil des Parks ausmachten. Sie lief an hohen, wild wuchernden Bäumen vorbei, die von zierlichen Hecken eingefasst wurden, und überquerte eine Rasenfläche, auf der Steinbänke und einige Büsten auf halbhohen Sockeln standen. Es folgten weitere Hecken und Bäume, dann ein kleines, rundes Wasserbecken, in dessen Mitte irgendwelche halb nackten Bronzejünglinge in einem Meer aus steinernen Trauben lagen, und danach eilte sie eine schmale Allee entlang, die von Bäumen gesäumt wurde, deren Kronen messerscharf zurechtgestutzt worden waren, sodass sie den Eindruck einer grünen Mauer erweckten. Es mussten unglaubliche Anstrengungen vonnöten sein, um all das zu pflegen und zu erhalten. Was für eine Verschwendung angesichts der Zustände, die draußen vor den Toren des Schlosses herrschen , dachte Carya.
    Schließlich erreichte sie ein Rund aus Marmorsäulen, das einen Ring aus weißem Stein trug. Zwischen den Säulen standen flache Wasserbecken, und wenn man fünf breite, ringförmig angeordnete Treppenstufen hinunterstieg, erreichte man in der Mitte des kleinen Platzes eine Skulptur, die einen muskulösen nackten Mann zeigte, der eine ebenfalls kaum bekleidete Frau entführte, während eine zweite Frau flehend zu seinen Füßen lag. Das alles war nur mehr zu erahnen, als wirklich zu erkennen, denn entweder hatte menschlicher Zorn oder eine Laune der Natur dem Trio stark zugesetzt. Der entführten Frau fehlte ein Arm, die flehende war zur Hälfte gespalten, und überall konnte man abgeplatzte Stellen und Risse in den Steinfiguren sehen.
    Carya wandte sich ab. Eigentlich interessierten sie solche Abbilder längst verstorbener Menschen nicht weiter. In Arcadion gab es davon ziemlich viele, und man erzählte sich, dass sie Helden und Götter darstellten, die mehr als zweitausend Jahre vor dem Sternenfall von Bedeutung gewesen waren. Der Lux Dei hatte sich nie darum bemüht, die Erinnerung an diese Geschichten wachzuhalten, und so hatte Carya sich angewöhnt, in den Statuen nur uninteressanten Zierrat zu sehen.
    Was sie im Moment ungleich mehr beschäftigte, war die Frage, wer ihr diesen Brief geschrieben und um das frühmorgendliche Treffen gebeten hatte. Eigentlich hatte sie Magister Milan im Verdacht. Er hatte beim Abendessen, als ihre Unterhaltung von Cartagena unterbrochen worden war, so angespannt gewirkt, als wolle er ihr unbedingt noch mehr erzählen. Warum er dann allerdings nicht einfach angeklopft hatte, wenn er schon vor ihrem Zimmer stand, konnte Carya nicht sagen. Vielleicht hatte auch bloß ein Diener die Botschaft vorbeigebracht, der sie zu so später Stunde nicht mehr hatte stören wollen.
    Eine andere Möglichkeit kam ihr in den Sinn, und die behagte ihr gar nicht. Konnte Julion Alecander ihr die Botschaft gesandt haben? Wenn er sie, wie Cartagena glaubte, wirklich erkannt hatte, war dieses Treffen vielleicht eine Falle. Er konnte sie hierhergelockt haben, um sie unauffällig zu entführen oder gar zu töten. Hatte Großinquisitor Aidalon Jonan und sie zum Abschuss freigegeben, nachdem sie in Arcadion so ein Chaos angerichtet hatten? Ich hätte eine Waffe mitbringen sollen , ging es ihr durch den Sinn. Einmal mehr wünschte sie sich, sie hätte ihren Bogen wieder, den Cartagena ihr in Orly abgenommen hatte. Aber der Botschafter hatte die Waffe behalten und offenbar weggeworfen, denn in seinem Zimmer hatte sie sie nicht gesehen, wie ihr jetzt erst auffiel. Mistkerl , dachte sie zornig. Dieser Bogen war Mablo draußen in der Wildnis viel wert gewesen.
    Doch nun war es zu spät,

Weitere Kostenlose Bücher