Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
noch heißer wurde, denn sie wusste nicht, wie sie diese Geschichte beenden sollte, ohne den Prinzen damit vor den Kopf zu stoßen oder seinen Respekt zu verlieren.
»Er hat Euch umworben«, stellte der Prinz fest, und in seine Stimme schlich sich eine gewisse Kühle.
»So ungefähr«, stieg Carya auf seine Vermutung ein. »Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Kurz zuvor hatte ich meine Freunde verloren, und so war ich ganz allein. Ich brauchte einen Mann an meiner Seite, der mich beschützt und mir hilft, Paris zu erreichen.« Sie warf ihm einen Blick zu, von dem sie hoffte, dass er ihre Abneigung dem Geschehenen gegenüber zum Ausdruck brachte.
»Aber Ihr empfindet nichts für ihn«, stellte Alexandre fest.
»Nein«, sagte Carya. »Er ist ein alter Mann. Im Augenblick bleibe ich bei ihm, weil er mir versprochen hat, meine Eltern zu finden. Deswegen bin ich eigentlich nach Paris gekommen.«
»Ist er mit Euch intim geworden?«
»Was?« Die Frage überraschte Carya dermaßen, dass sie beinahe über ihre eigenen Füße gestolpert wäre. Aus dem Mund jedes anderen Mannes wäre sie unverschämt oder zumindest unanständig gewesen. Doch für einen Prinzen schienen andere Gesetze zu gelten. »Natürlich nicht! Wie kommt Ihr denn darauf?«
»Nun, Ihr habt doch eben gesagt, dass er sich für Euch erwärmt hat«, entgegnete Alexandre. »Da wird er sich doch kaum mit einem Kuss auf die Wange hier und etwas Händchenhalten da zufriedengegeben haben.«
»Genau so war es aber«, erklärte Carya entschieden. »Bei allen Gefühlen, die er für mich empfinden mag, ist er stets ein Ehrenmann geblieben und hat mich nicht angerührt. Meine Gesellschaft und mein Anblick in den schönen Kleidern, die er mir gab, waren ihm stets genug. Hätte er mehr versucht, hätte ich ihn längst verlassen.«
Ihre Worte ließen die Miene des Prinzen milder werden. »Gut«, sagte er. »Dann wollen wir nicht mehr davon sprechen.«
Sie erreichten eine kurze Treppe, die Alexandres Rappe mit ein paar Trippelschritten nahm. Ein gerader, langsam aufsteigender Weg schloss sich daran an, der sie zu dem Platz direkt hinter dem Schloss führte. Als sie sich dem Gebäude näherten, sah Carya, dass die Dienerschaft langsam munter wurde. Einige Fenster im Dachgeschoss standen offen, und ein paar vereinzelte Männer und Frauen liefen bereits zwischen den Schlossflügeln umher.
»Ich muss hinüber zu den Stallungen«, verkündete Alexandre. »Sehe ich Euch heute Abend beim Ball?«
»Es findet ein Ball statt?«, fragte Carya erstaunt. Davon hatte sie gestern gar nichts mitbekommen.
»Ja, zu Ehren von Botschafter Cartagena. Und, sofern es nach mir ginge, natürlich zu Euren Ehren.« Er deutete im Sattel eine Verbeugung an und grinste. Auf einmal war er wieder ganz der Prinz, den sie beim Frühstück gestern kennengelernt hatte.
»Vielen Dank, Hoheit. Und, ja, ich bin sicher, dass ich dort sein werde. Es wäre doch sehr unhöflich, einem Fest fernzubleiben, bei dem man selbst der Ehrengast ist – wenn auch nur in den Augen eines Einzelnen.« Sie erlaubte sich, das Lächeln zu erwidern. Alexandre sollte nicht länger über sie und Cartagena nachdenken.
»Das freut mich außerordentlich. Dann bis heute Abend.«
»Bis heute Abend«, erwiderte Carya. »Oh, und Hoheit: Es war sehr nett von Euch, dass Ihr gestern Nacht noch an mich gedacht habt.«
Alexandre hob die Augenbrauen und sah sie mit einer Mischung aus Verlegenheit und Erstaunen an. »Habe ich das?«
»Der Nachtisch«, half ihm Carya auf die Sprünge. »Den Ihr mir aufs Zimmer habt schicken lassen. Das hat mich gefreut.«
»Es tut mir sehr leid, das gestehen zu müssen, aber diese Aufmerksamkeit geht nicht auf mich zurück.«
»Aber es lag ein Gruß von Euch bei.«
»Von mir unterschrieben?«
»Nun ja, signiert mit einem A.«
Der Prinz schüttelte den Kopf. »Ich kann mich nur wiederholen: Ich war es nicht. Auch wenn ich es im Nachhinein gerne gewesen wäre. Vielleicht habt Ihr einen heimlichen Verehrer bei Hofe.« Er machte ein theatralisch finsteres Gesicht. »Ich muss ihn sofort ausfindig machen und zum Duell fordern. Das sind mir eindeutig zu viele Männer, die Euch umflattern. Wie Nachtfalter einen strahlenden Stern.«
Die Vorstellung brachte Carya zum Lachen. »Seid gnädig, es war nur ein Nachtisch. Und vielleicht hat sich auch einer Eurer Freunde einen Scherz erlaubt.«
»Dann werde ich ihn zum Duell fordern«, verkündete Alexandre.
»Versorgt erst einmal Euer Pferd, Hoheit«,
Weitere Kostenlose Bücher