Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
empfahl ihm Carya.
»Also gut. Das Mysterium bleibt einstweilen ungelüftet. Heute Abend jedenfalls werden weder Cartagena noch Euer rätselhafter A. mich davon abhalten, einen Tanz von Euch zu fordern.«
»Ihr seid der Prinz. Ihr dürft sogar zwei Tänze von mir fordern.«
»Ich nehme Euch beim Wort«, rief Alexandre, winkte noch einmal und gab seinem Pferd dann die Sporen, um über den Platz nach Norden davonzupreschen.
Lächelnd sah Carya ihm nach. Er konnte wirklich charmant sein, wenn er wollte. Dann fiel ihr Aurelie ein, Alexandres Versprochene, vor deren Zorn Magister Milan sie gewarnt hatte. Sie musste aufpassen. Sie durfte sich durch die Leichtherzigkeit des Prinzen nicht zu einer Dummheit verführen lassen. Nicht, solange es Aurelie gab. Und Jonan! , ermahnte sie eine innere Stimme. Er ist noch immer da draußen, und er wird kommen, um dich zu › retten ‹ . Vergiss das nie.
Kapitel 27
E s kam Jonan so vor, als tauche er durch dunkles Brackwasser langsam an die Oberfläche. Wie gegen eine zähe Masse ankämpfend, die ihn in der Schwärze des Vergessens festhalten wollte, zwang er seinen Geist in einen Zustand des Bewusstseins zurück.
Als Erstes spürte er den Schmerz. Sein Kopf dröhnte, und sein ganzer Körper fühlte sich an, als sei er von einem Leviathan -Panzer überrollt worden. Das war nicht gut. Schon besser gefiel ihm die Erkenntnis, dass er überhaupt noch lebte und nicht in einer Pfütze im Regen draußen auf der Straße zu liegen schien. Es war trocken um ihn und sogar recht warm. Irgendwo knisterte und knackte es. Die Wärme stammte also von einem Lagerfeuer oder einem offenen Kamin. War er von ihren Angreifern entführt worden? Prüfend bewegte er Arme und Beine ein wenig. Nein, er trug keine Fesseln.
»Er ist wach«, sagte eine Männerstimme einige Schritte neben ihm. Jonan kannte sie nicht. Dann will ich meinen Gastgeber mal kennenlernen , dachte er und öffnete die Augen.
Er befand sich, wie es aussah, in einem fensterlosen Raum. Drei der vier Wände waren gemauert, die vierte bestand aus Holzbrettern, die quer an bogenförmigen Metallstreben befestigt worden waren. Durch schmale Schlitze zwischen den Brettern fiel schwaches Sonnenlicht herein. Staubteilchen tanzten in den scharf abgegrenzten Lichtstrahlen.
Jonan drehte vorsichtig den Kopf und nahm den Raum genauer in Augenschein. Es schien sich um einen Aufenthaltsraum zu handeln. Es gab ein Sofa, auf dem er, zugedeckt mit einer Wolldecke, lag, ein paar Sessel und Stühle, dazu einen Tisch, ein Regal, in dem Flaschen standen, und einen kleinen Kanonenofen, der angenehme Wärme verbreitete. Die Abluft verschwand über ein Rohr, das durch die Bretterwand nach draußen führte.
In einem der Sessel saß ein Mann. Als Jonan ihn erkannte, zuckte er leicht zusammen. Es handelte sich um das Narbengesicht, das zu den Wachen mit den totenkopfverzierten Lederjacken gehörte. Der Mann hatte die Jacke ausgezogen und neben sich über eine Stuhllehne gelegt, sodass er nun in einem ärmellosen Hemd dasaß, eine Bierflasche in der Hand und einen mürrischen Ausdruck auf dem Gesicht.
Ein zweiter Mann betrat den Raum. Er trug eine ausgewaschene Uniformhose und ebenfalls eine schwarze Lederjacke. Seine Haut war gebräunt und faltig, das Haupthaar begann sich zu lichten. Zwischen vollen Lippen klemmte ein Zigarrenstumpen. Jonan wollte gar nicht wissen, was der Mann dafür bezahlt hatte. »Ah, da sind Sie ja wieder«, begrüßte er Jonan. »Wir haben gewettet. Fünfzig-fünfzig, dass Sie durchkommen. Ich habe verloren.« Er zuckte mit den Schultern.
»Wie bin ich hierhergekommen?«, fragte Jonan rau und setzte sich auf. Ein leichter Schwindel erfasste ihn, und er musste gegen eine Welle aufkommender Übelkeit ankämpfen.
»Immer langsam, Junge«, sagte der Mann, dem die natürliche Autorität eines Anführers anhaftete. »Sie haben ganz schön was abbekommen von diesen Gossenratten. Wenn meine Leute nicht bemerkt hätten, wie die Sie fertiggemacht haben, wären Sie da draußen krepiert.«
»Sie sind eingeschritten?« Er sah zu dem Narbengesicht hinüber.
Der nickte. »Ich kann’s nicht ausstehen, wenn drei Leute auf einen Wehrlosen eintreten. Vor allem nicht vor meiner Haustür.«
Damit hatte Jonan nicht gerechnet. Als sie beim Markt eingetroffen waren, hatte er den finster aussehenden Burschen in den Totenkopfjacken wenig Sympathie entgegengebracht. Doch nun erkannte er, dass die raue Schale bloß Teil ihrer Verkleidung war und sie einfach
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