Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
Vom Netzwerk:
gestapelten Backsteinen. Es handelte sich dabei wohl eigentlich um einen Käfig für große Hunde, nur saß kein Hund darin, sondern ein dreizehnjähriger Junge. Die Gossenratten hatten Pitlit bis auf die Unterwäsche seiner Kleider beraubt und anscheinend geschlagen und mit scharfen Gegenständen gequält. Blaue Flecke an seinen Armen und blutige Schnitte auf der Brust legten Zeugnis von den Misshandlungen ab, die der Junge erlitten hatte. Er hatte die Stirn, an der eine mächtige Beule prangte, gegen das Gitter gelehnt, und Blut und Tränen hatten rotbraune Streifen auf seinem Gesicht hinterlassen.
    Voller Zorn presste Jonan die Lippen zusammen. Sein Griff um das Sturmgewehr verstärkte sich. Sein Blick wanderte einige Meter nach links, wo ein junger Mann, der ungefähr in Jonans Alter war, in einer der Hängematten lag. Seine Kleidung bestand aus einem Mischmasch aus nicht zusammenpassenden Einzelteilen, sein schulterlanges Haar sah strähnig aus, und Bartflusen verliehen seinem Gesicht einen verschmutzten Eindruck. Sein linker Unterarm war bandagiert. In der rechten Hand hielt er Pitlits silbern glänzenden Revolver. Gedankenverloren spielte er damit herum.
    Nur ein Mann , dachte Jonan. Sehr gut. Jetzt oder nie.
    Er sprang um die Ecke und richtete sein Sturmgewehr auf den Liegenden. »In Ordnung, Waffe weg, sonst …«
    »Scheiße!«, kreischte der Kerl erschrocken und riss den Lauf des Revolvers hoch.
    Jonan blieb keine andere Wahl. Er feuerte. Drei schnelle, hämmernde Schüsse trafen das Gangmitglied in Brust und Unterleib. Die Hängematte wurde zerfetzt, und ein Sprühregen aus Blut besudelte den Steinboden. Aus Reflex krümmte der Sterbende noch einmal den Finger um den Abzug des Revolvers, aber der Schuss peitschte weit entfernt von Jonan in die Wand.
    »Verdammt«, fluchte Jonan, dem nach dem kurzen Schusswechsel in dem hallenartigen Raum die Ohren klingelten. Damit war all die Mühe, die er sich gemacht hatte, um lautlos in das Versteck der Gossenratten einzudringen, hinfällig. Diese Knallerei war bestimmt bis an die Oberfläche noch zu hören gewesen.
    Pitlit kam auf die Knie, ergriff die Gitterstäbe und presste sein Gesicht daran. »Jonan?«, fragte er hoffnungsvoll. »Bist du das?«
    »Niemand sonst«, erwiderte dieser und zog die Gasmaske auf die Stirn. »Ich bin hier, um dich zu retten.«
    »O Mann, ich wusste, dass du kommen wirst. Ich wusste es einfach. Bitte, hol mich hier schnell raus, bevor die anderen wieder auftauchen.« Pitlit rutschte zur Käfigtür hinüber.
    »Bin schon dabei, Kumpel.« Jonan schulterte sein Gewehr und lief zu dem Erschossenen hinüber. Statt sich mit der Suche nach einem Schlüssel aufzuhalten, nahm er ihm kurzerhand Pitlits Revolver ab. Er rannte zum Käfig und schoss das Vorhängeschloss auf. Auf einen Knall mehr oder weniger kam es jetzt auch nicht an.
    »Komm her, Pitlit«, sagte er. Er steckte den Revolver in den Gürtel und packte den Jungen unter den Achseln, um ihn aus dem Käfig zu ziehen. Auch Pitlits dürre, nackte Beine wiesen blaue Flecken und Schürfwunden auf. »Was haben die nur mit dir gemacht?«
    Der Straßenjunge schlang die Arme um Jonans Bauch und vergrub seinen Kopf an seiner gepanzerten Brust. »Das willst du nicht wissen«, presste er erstickt hervor. »Ich bin so froh, dass du da bist, Jonan. Ich bin echt so froh.«
    »Versteht sich von selbst, Kumpel«, versuchte Jonan ihn zu trösten, während sein Blick gleichzeitig angespannt von Ausgang zu Ausgang huschte. »Wir sind doch Freunde. Da lässt man einander nicht im Stich.« Er schob Pitlit auf Armeslänge von sich und sah ihn ernst an. »Aber jetzt müssen wir hier verschwinden. Weißt du, wo deine Kleider sind? Und mein Beutel?«
    Pitlit schniefte. Auf seinen Wangen glänzten frische Tränen. »Ja, ich glaube schon. Komm mit.« Barfuß flitzte er quer durch den Raum, hin zu einem Stapel Kartons. Hektisch begann er darin zu kramen, bis er Jonans Beutel gefunden hatte. »Hier.« Er reichte ihm den festen Stoffsack. »Ich weiß aber nicht, wie viel sie schon rausgenommen haben.«
    Während Pitlit seine Kleidung zusammensuchte, öffnete Jonan den Beutel und blickte hinein. Das Ergebnis war ernüchternd. Strahlungsmesser und Navigator waren noch da, was vermutlich daran lag, dass die Gossenratten damit kurzfristig nichts anfangen konnten. Schließlich hatten sie eben erst sozusagen Hausverbot im wichtigsten Schwarzmarkt der Trümmerzone erhalten. Auch die Handlampe und die Trinkflasche waren noch

Weitere Kostenlose Bücher