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Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Mahlzeit aus Eiern, Brot, Milch und Äpfeln zu sich. Einmal mehr erstaunte es Jonan, wie gut ihr Gastgeber seine Horde im Griff hatte. Es wurde kaum gelärmt oder Unsinn getrieben. Geradezu ernst nahmen die Sechs- bis Sechzehnjährigen ihr Abendbrot ein. Das liegt sicher daran, wie sie aufgewachsen sind , dachte er. Wenn man in einer Welt wie dieser Trümmerzone lebte, wurde man verdammt schnell erwachsen. Es war kein Vergleich zu der einsamen, aber weitgehend unbeschwerten Kindheit, die er selbst in Arcadion verlebt hatte.
    »Wo haben Sie eigentlich die ganzen Lebensmittel her?«, fragte Jonan, um ein wenig Konversation zu betreiben.
    »Diese Anlage besitzt gut ein Dutzend Innenhöfe, alle gut geschützt vor neugierigen Blicken«, antwortete Bonasse. »Wir haben sie zu Nutzgärten umgestaltet. Wir pflanzen Obst und Gemüse an, so gut es eben geht. Außerdem halten wir Hühner und ein paar Schafe und Ziegen. Es ist nicht leicht, und Gott steh uns bei, wenn ein zu heißer Sommer, ein zu früher Winter, eine Krankheit oder Schädlingsbefall unsere bescheidene Ernte ruiniert oder unsere Tiere tötet. Zum Glück gibt es de Funès, der uns hilft.«
    »Warum verlassen Sie die Trümmerzone nicht und leben draußen bei den anderen Menschen, die sich rund um Château Lune angesiedelt haben? Wäre das nicht leichter?«
    »Das wäre es vielleicht. Aber Straßenkinder sind in der durchgeplanten Welt des Mondkaisers nicht gerne gesehen. Und mich würden sie wahrscheinlich festnehmen und enthaupten, wenn ich die Trümmerzone verlasse.«
    »Warum das, um Himmels willen?«, wollte Jonan wissen.
    »Manche von uns haben eine Vergangenheit, auf die sie nicht stolz sind«, brummte Bonasse nur.
    Jonan nickte verständnisvoll. »O ja, das müssen Sie mir nicht sagen.«
    Auf einmal wurde im Dachstuhl der Vorhang beiseitegezogen. »Bonasse!«, rief der Junge, der gegenwärtig dort oben Wache hielt. »Eine Kutsche nähert sich.«
    Géants Bruder stand auf. »Was für eine Kutsche?«, fragte er alarmiert.
    »Ich weiß nicht. Sie ist schwarz, es sind zwei Pferde davor, und ich glaube, sie wird von zwei Soldaten begleitet.«
    »Das ist de Funès«, rief Bonasse verwundert aus. »So früh schon? Wie eigenartig.« Er nickte dem Jungen zu. »Danke. Geh wieder auf deinen Posten.«
    Der Junge verschwand hinter dem Vorhang.
    »Na schön. Er hat sich beeilt. Soll uns nur recht sein.« Etwas schwerfällig marschierte er zum Eingang des Doms. Sein Holzbein erzeugte pochende Laute auf dem Steinboden, die im Gewölbe des Baus widerhallten.
    Das Pochen wurde von einem Klopfen am Kirchenportal beantwortet: zweimal kurz, zweimal lang, zweimal kurz. Offenbar hatten Bonasse und de Funès zur Sicherheit einen Code ausgemacht, damit kein Zweifel daran bestand, wer vor der Tür wartete. Bonasse öffnete und ließ den späten Besucher ein.
    De Funès kam allein, was Jonan als Zeichen seines Vertrauens wertete. Seine Wachen, die er brauchte, um sicher durch die Trümmerzone zu gelangen, mussten draußen bleiben.
    »De Funès, was für eine freudige Überraschung«, begrüßte Bonasse ihn. »Wir dachten, du kämst erst morgen.«
    »Im Palast herrscht gerade großes Durcheinander wegen des Balls, der in zwei Stunden beginnen soll«, erklärte der Minister. »Es bot sich an, den Trubel zu nutzen, um kurz zu verschwinden.« De Funès war ein kleiner, drahtiger Mann mit dichtem schwarzem Haar und einem Schnauzbart. Für Jonan sah er wie der Inbegriff eines Francianers mittleren Alters aus. Er hatte funkelnde Augen und sprach gestenreich. Jonan konnte sich gut vorstellen, dass man ebenso blendend mit ihm trinken wie streiten konnte – vielleicht sogar beides gleichzeitig.
    De Funès winkte zweien der Jungs zu. »Mathis, Amineau, geht mal raus und lasst euch vom Lieutenant den Korb geben, den ich mitgebracht habe. Es ist leider nicht viel«, fügte er mit entschuldigendem Blick in Richtung Bonasse hinzu. »Aber die Botschaft klang so eilig, dass ich mir keine Zeit genommen habe, mehr Essen aus der Küche abzuzweigen.«
    »Wir sind dir für jede Spende dankbar, de Funès, egal, wie klein sie ist«, sagte Géants Bruder. »Komm, setz dich. Ich schaue mal, ob ich noch eine Flasche Wein habe.«
    »Bemüh dich nicht. Ich habe eine«, gab der Minister zurück. » So viel Zeit habe ich immer!«
    Bonasse lachte. »Darf ich dir meine Gäste vorstellen? Jonan Estarto und Pitlit. Sie kommen aus dem fernen Arcadion, und ich schulde Ihnen was. Und da ich lieber dir etwas schulde,

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