Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
ist.«
Gedankenvoll strich sich de Funès mit der Hand übers Kinn. »Möglich sollte es schon sein. Der Zeitpunkt scheint mir auch günstig, sofern Ihr umgehend aufbrechen könnt. Denn zu dem Ball, der in diesen Minuten beginnt, kommen natürlich auch einige Gäste aus dem Umland. Wir könnten aus Ihnen zwei Söhne eines Gutsbesitzers oder Großhändlers machen.«
»Ich bin ganz gut darin, den Sohn eines Stadtrats zu mimen«, warf Jonan mit schiefem Grinsen ein.
»Ja, warum nicht ein Stadtrat? Aus Évry beispielsweise. Das liegt nicht zu weit weg, aber weit genug, um zumindest im Moment sicher vor einer Überprüfung zu sein. Allerdings ist Ihr Handlungsspielraum zeitlich begrenzt. Morgen oder spätestens übermorgen müssen Sie wieder aus dem Palast verschwinden, sonst schöpft nachher noch jemand Verdacht.«
»Das ist kein Problem«, sagte Jonan. »Wenn ich mit Carya erst gesprochen habe, ist alles andere schnell in die Wege geleitet.«
»Évry …« Bonasse gluckste. »Das gefällt mir. Ein vorgeschobener Treffpunkt wird zur vorgeschobenen Heimat.«
»Dann schreiten wir zur Tat«, entschied der Minister. »Sie können mit in meiner Kutsche bis in die Nähe des Hofes fahren. Dort verstecken Sie sich, und ich schicke Ihnen eine leere Kutsche samt Kleidung und etwas falschem Gepäck. Das wird etwa eine Stunde dauern, nehme ich an. Der Kutscher, der Sie abholt, wird mein eigener und vertrauenswürdig sein. Ich bezahle ihn dafür, dass er keine Fragen stellt, wenn ich Fahrten wie diese hier unternehme.«
»Was ist mit den Torwachen?«, wollte Jonan wissen. »Werden die nicht misstrauisch, wenn wir mit einer Kutsche anreisen, die eben erst das Schlossgelände verlassen hat?«
»Wir werden sagen, dass Sie in einer Herberge in der Stadt abgestiegen sind und nur von dort abgeholt werden müssen«, beruhigte de Funès ihn. »Das kommt vor und ist nicht weiter ungewöhnlich.«
»Solange Sie wissen, was Sie tun, bin ich zufrieden«, sagte Jonan.
»Also wäre das geklärt.« Bonasse schlug zufrieden mit der Hand auf den Tisch. »Hiermit übergebe ich dir meine Gäste, de Funès. Viel Glück mit ihnen.«
»Denk daran, dass du mir dafür was schuldig bist, Bonasse«, ermahnte der Minister ihn.
»Du wirst mich bestimmt regelmäßig daran erinnern«, brummte Géants Bruder,
»Oh, eine Sache noch«, sagte de Funès, als sie aufstanden. »Keine Waffen. In meiner Kutsche nehmen Sie keine Gewehre, Pistolen oder Messer mit. Damit geschehen viel zu leicht schmerzhafte › Unfälle ‹ .«
Diese Einschränkung gefiel Jonan zwar nicht, aber er konnte die Vorsicht des Ministers nachvollziehen. Auf einem Ball mit einem Sturmgewehr zu erscheinen, wäre sicher nicht klug gewesen. Zudem rechnete er sich aus, dass sie im Schloss schon Gelegenheit haben würden, sich neu zu bewaffnen, sollte es nötig werden. Daher nickte er. »Können wir unsere Sachen bei Ihnen lassen, Bonasse? Wir holen sie ab, wenn wir zurückkehren.«
Der dunkelhäutige Hüne brummte unwillig. »Na gut, legt den Krempel in eine der Kisten. Wir passen darauf auf. Aber überstrapaziert meine Gastfreundschaft nicht.«
»Keine Sorge, wir bringen Ihnen was Schönes aus Château Lune mit – für Ihre Mühen. Nicht wahr, Pitlit?« Jonan klopfte dem Straßenjungen auf den Arm.
Der machte ein unschuldiges Gesicht. »Was guckst du mich dabei an? Seit ich mit Carya und dir unterwegs bin, bin ich eine ehrliche Haut geworden.«
»Rede dir das nicht zu sehr ein«, sagte Jonan. »Vielleicht brauchen wir noch einen kleinen Schurken, bevor das alles hier vorüber ist.«
Kapitel 31
D en größten Teil des restlichen Tages verkroch sich Carya in ihrem Zimmer. Sie musste nachdenken und mit sich selbst ins Reine kommen. Sie durchsuchte den ganzen Raum nach dem Elektroschocker und dem leeren Giftfläschchen, ohne jedoch fündig zu werden. Das bewies nicht ihr Unschuld, dennoch klammerte sie sich daran, dass sie eine Vision gehabt und bloß entsetzte Zeugin des Mordes gewesen war.
Wenn es sich wirklich um Mord handelte – und nicht doch um einen Herzanfall … Nein, der Gedanke war Unsinn und Schönrednerei. Sie hätte nicht »im Traum« miterlebt, wie Milan getötet wurde, wenn sein Tod eine natürliche Ursache gehabt hätte. Zumindest dessen war sie sich sehr sicher, ganz egal, was die Untersuchung von Ministerin Factice ergeben würde.
Der Hofastrologe hatte sein Leben verloren, weil er etwas gewusst hatte, da wäre Carya jede Wette eingegangen. Er hatte etwas über
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