Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
war der gleiche Ring, den Cartagena ganz offen am Finger trug und der an der Oberseite eine ovale Fläche aufwies, in die ein von feinen Linien durchzogener Kreis graviert worden war – ein Globus, wie Carya nun aus der Nähe erkannte.
Magister Milan hatte anscheinend zur selben Organisation wie der Botschafter gehört: zur Erdenwacht.
Kapitel 30
A m späten Nachmittag kehrten Jonan und Pitlit zum Invalidendom zurück. Ihre Ankunft musste bereits von einem der Kinder auf dem Dach bemerkt worden sein, denn sie hatten die Stufen kaum erreicht, als sich das große Portal öffnete und Bonasse in seinem Frachtlader-Exoskelett herausmarschiert kam. »Da seid ihr ja wieder!«, tönte er. »Wir waren schon in Sorge, dass euch was passiert sein könnte.«
»Sie wollen gar nicht wissen, was es uns gekostet hat, diese verdammten Revolver heil hierherzubringen«, brummte Jonan.
Eine steile Falte bildete sich auf der Stirn des dunkelhäutigen Hünen. »Ihr hattet also Ärger?«
»Mehr als genug«, antwortete Jonan.
»Hm, kommt erst mal rein und setzt euch.« Bonasse ließ sie vorbei und schloss hinter ihnen die Tür zum Dom. »Kinder«, rief er, »holt unseren Gästen was zu trinken und zu essen. Sie sehen aus, als könnten sie es brauchen.«
Jonan winkte ab. »Danke, das ist im Augenblick nicht nötig. Wir haben vorhin einen Happen mit der Marktwache gegessen.«
»Mit dem alten Mistkerl Godard?«, brummte Bonasse überrascht.
»So schlimm ist er gar nicht«, meldete sich Pitlit zu Wort. »Er hat Jonan geholfen, mich zu retten, nachdem ich zusammen mit unseren Einkäufen von den Gossenratten verschleppt worden bin.«
Schwerfällig ließ sich Bonasse auf seiner Bank nieder. »Mir scheint, als hättet ihr einiges zu erzählen.«
»Erst das Geschäftliche«, sagte Jonan. »Dann das Vergnügen.« Er öffnete seinen Beutel und legte Bonasse die zehn Revolver und alle Munition hin, die sie von der Mofabande in ihrem Metro-Versteck erbeutet hatten. »Damit wäre unser Teil der Abmachung erfüllt. Jetzt sind Sie an der Reihe.«
»Ich habe schon alles vorbereitet«, erwiderte Bonasse nickend. Er wandte sich an einen der älteren Jungen, der gerade an etwas schnitzte, das wie ein kleiner Soldat aussah. »Kylian, geh hinüber zu meinem Schreibtisch. Dort liegt ein brauner Briefumschlag. Steck ihn ein, nimm das Motorrad und fahr hinaus nach Château Lune. Gib den Brief am Tor den Wachen und sage ihnen, dass er unbedingt an Minister de Funès übergeben werden soll. Oh, und zieh ein frisches Hemd an, bevor du losfährst. Du solltest zumindest halbwegs ordentlich aussehen.«
Der Junge seufzte und ließ sein Messer sinken. »Geht klar, Bonasse.«
»Was ist, wenn die Wachen den Brief aufmachen?«, wollte Pitlit wissen.
»Dann finden sie nur eine Einladung an de Funès, seinen guten alten Freund in Évry mal wieder zu besuchen«, gab Bonasse zurück. »Das ist vollkommen unverfänglich.«
»Werden sie den Brief überhaupt weiterleiten, wenn er von einem Jungen auf einem Motorrad überbracht wird?«, zweifelte Jonan.
»Davon gehe ich aus«, sagte Bonasse. »Es ist doch so: Diese Burschen denken pragmatisch. Sie verlieren nichts, wenn sie die Botschaft weiterleiten. Aber sie riskieren Ärger, wenn sie sie einfach als unwichtig abtun und wegwerfen. Außerdem tauchen Postboten heute doch in jeder Gestalt auf, als Überlandreiter in Uniform und eben auch als hemdsärmelige Burschen auf Motorrädern.«
»Na gut«, lenkte Jonan ein. »Wie lange wird es dauern, bis sich de Funès bei Ihnen meldet?«
»Normalerweise ist er recht schnell, vor allem wenn ich gewisse Begriffe in meiner Einladung verwende, die ihm verraten, dass es dringend ist. Wenn wir Glück haben und seine Arbeit es erlaubt, kommt er bereits morgen früh vorbei. In der Zwischenzeit …« Bonasse lehnte sich auf seiner Bank zurück, sodass er sich mit dem Rücken der Panzerung an einer Tischplatte abstützen konnte. »Wollt ihr mir nicht berichten, was auf dem Markt vorgefallen ist?«
»Ja, warum nicht.« Ohne große Umschweife schilderte Jonan, wie sie die Revolver ertauscht hatten und danach von den Gossenratten überfallen worden waren. Er erzählte, wie er sich plötzlich bei der Marktwache wiedergefunden hatte, die ihm berichtete, dass Pitlit und all sein Hab und Gut geraubt worden seien, und wie ihm Godard angeboten hatte, ihm bei einer Rettungsaktion behilflich zu sein. »Nachdem wir aus dem Versteck der Bande verschwunden waren, sind Pitlit und ich zum Markt
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