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Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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trauen. Der Mann im Türrahmen trug zwar die Kleidung eines francianischen Höflings, aber es handelte sich dennoch eindeutig um Jonan, und er sah zu, wie sie und Alexandre …
    Ruckartig wandte Jonan sich um und stürzte außer Sicht. Gleichzeitig erwachte Carya aus ihrem Rausch der Leidenschaft. Es war, als habe jemand einen riesigen Eimer Wasser über einem Lagerfeuer geleert. Von einer Sekunde zur nächsten erloschen die Flammen, und die letzte Glut wurde von Bestürzung erstickt, als ihr klar wurde, wie absolut schändlich sie sich hier aufführte.
    Jonan hatte ihr das Leben gerettet – erst in der Gasse hinter ihrem Elternhaus in Arcadion, dann auf dem Quirinalsplatz. Er war bei ihr gewesen, als sie nach der Festnahme ihrer Eltern durch die Inquisition allein und verängstigt gewesen war. Er hatte sie bei dem Versuch, Edoardo und Andetta Diodato zu retten, unterstützt, war mit ihr in die Wildnis gegangen, um nach ihrer Kapsel zu suchen, und in den letzten Wochen hatte er sie bis ins ferne Paris begleitet. Seine Fürsorge kannte keine Grenzen, seine Treue war unerschütterlich. Er war der beste Mann, den Carya jemals kennengelernt hatte, und sie liebte ihn mit jeder Faser ihres Körpers; nicht mehr schwärmerisch und sprunghaft wie ein junges Mädchen – das sie im Grunde ja noch war –, sondern bereits wie eine Frau einen Mann liebt, mit dem sie alles teilen wollte, bis ans Ende ihrer Tage.
    Diese Liebe, von der sie wusste, dass Jonan sie auf seine ruhige, abgeklärte Art erwiderte, hatte sie gerade verraten. Und das aus Gründen, die sie genau genommen selbst nicht begreifen konnte.
    Abrupt stieß sie Alexandre von sich. »Nein!«, keuchte sie. »Das dürfen wir nicht.«
    »Carya, was …?«
    Doch sie ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. Sie wollte nicht erneut unter seinen Zauber geraten. Daher wirbelte sie herum und stürzte aufgescheucht wie ein Reh beim Knall eines Jagdgewehrs aus dem Raum. Der Prinz rief ihr noch etwas nach, aber sie hörte gar nicht mehr hin. Sie drängte sich an den Gästen vorbei, die sich am Büffet bedienten, und durch den Hauptsaal zur Tür. Dabei stieß sie beinahe mit Cartagena zusammen, der gemeinsam mit einem Höfling den Ballsaal betrat.
    »Carya?«, fragte der Botschafter verblüfft.
    »Nicht jetzt«, presste sie nur hervor, während sie sich an ihm vorbeischob. Sie floh den Gang hinunter, über die Treppe ins Erdgeschoss und von dort zu einer Tür, die sie in den nächtlichen Garten führte. Sie wollte jetzt niemanden sehen, und erst recht nicht von Alexandre gefunden werden, der vermutlich schon seine Diener nach ihr ausschickte, um sie zurückzuholen.
    Während sie, das hell erleuchtete Gebäude im Rücken, über den hinteren Schlossplatz auf den Park zurannte, vernahm sie plötzlich schnelle Schritte. »Carya, warte!«, rief jemand hinter ihr. »So warte doch.« Im ersten Moment war sie versucht, noch schneller zu rennen. Dann fiel ihr auf, dass ihr Verfolger sie auf Arcadisch angerufen hatte. Und sie erkannte auch die Stimme. Es war Pitlit.
    Sie erreichte das steinerne Geländer, das die Grenze zwischen dem Schlossplatz und dem tiefer gelegenen Park bildete, und hielt an. Als sie sich umdrehte, sah sie den Straßenjungen, der sie schon beinahe erreicht hatte. Er musste ihre Flucht beobachtet haben und ihr sofort nachgelaufen sein. Genau wie Jonan hatte er Kleider an, die ihm offensichtlich nicht gehörten und ihn wie einen jungen francianischen Adligen aussehen ließen.
    »Carya«, rief er noch einmal, bevor er heran war und sie mit einer stürmischen Umarmung beinahe von den Füßen holte. »Da bist du ja.« Er ließ sie los und grinste. »Wir haben doch gewusst, dass dich diese Mistkerle zum Palast entführt haben. Und hier sind wir, um dich zu retten. Tadaa!« Er sah sich wie suchend um. »Jonan ist noch irgendwo oben im Schloss. Keine Ahnung, wo der sich herumtreibt. Er …«
    »Ich habe ihn schon gesehen, Pitlit«, unterbrach ihn Carya.
    »Ehrlich?« Der Straßenjunge machte ein verdutztes Gesicht. »Aber wo … ich meine, wieso … also, warum rennst du dann alleine in den Park, als sei die Inquisition des Lux Dei hinter dir her?«
    Seufzend ließ sich Carya gegen das steinerne Geländer sinken. »Weil ich Mist gebaut habe, riesigen Mist, um die Wahrheit zu sagen.«
    »Ach so?« Pitlit gesellte sich zu ihr und setzte sich mit einem Hopser neben ihr auf das Geländer, den Rücken dem Park zugewandt. Dass es hinter ihm mehrere Meter in die Tiefe ging, schien

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