Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
wir uns am Abend deiner Ankunft auf dem Korridor begegnet sind. Da lag plötzlich etwas in der Luft, eine Spannung, die nur entsteht, wenn sich zwei gefunden haben, die einfach füreinander bestimmt sind.«
»Alexandre, ich …«
»Es ist in Ordnung, Carya, nein, mehr noch, es ist gut so. Es gibt Momente im Leben zweier Menschen, in denen eine höhere Macht eingreift, ihre Herzen berührt und ihnen die Augen öffnet. So ein Moment war unser Zusammentreffen vor zwei Tagen. Ja, mir ist bewusst, dass ich Aurelie versprochen bin. Eine Weile dachte ich auch wirklich, dass sie die Frau meiner Träume sei. Doch etwas hat sich verändert, ich vermag gar nicht zu sagen, was. Sie wurde bitter und mein Traumbild schal. Ich begann rastlos zu werden, zu suchen, doch ohne zu wissen, wonach. Jetzt ist mir alles klar. Ich habe nach dir gesucht! Carya …« Der Griff seiner Hände wurde fester, der Blick in seinen im Kerzenschein funkelnden Augen drängender. »… ich liebe dich.«
Fassungslos schüttelte Carya den Kopf. Ihre Knie wurden weich, und sie musste sich an Alexandres Armen festhalten, um nicht zu wanken. »Nein, Alexandre, das geht nicht. Das ist nicht richtig. Aurelie bringt mich um, wenn sie von uns erfährt. Und was ist mit Cartagena, der noch immer Anspruch auf mich erhebt?« Und was ist mit Jonan? Diesen Teil sprach sie nicht laut aus.
»Keine Sorge, Carya. Ich bin der Sohn des Mondkaisers. Sein Wort ist Gesetz, und damit ist es das meine auch. Wenn ich mich von Aurelie lossage, kann sie dir nichts anhaben. Und Cartagena mag ein Mann sein, dem sich mein Vater eng verbunden fühlt, aber letztlich ist auch er nur ein Botschafter und steht damit weit unter mir. Er wird sich fügen, wenn ich es ihm befehle. Es gibt keine Hindernisse, Carya, keine, die ich für uns nicht aus dem Weg räumen würde.«
»Ich kann es trotzdem nicht«, flüsterte Carya. Sie fühlte sich ganz elend. Wahrscheinlich hätte jedes andere Mädchen im Palast alles gegeben, um in diesem Moment an ihrer Stelle zu sein, um sich an ihrer statt die Liebesschwüre des Prinzen anzuhören. Aber sie musste an Jonan denken, der irgendwo dort draußen in der Nacht von Paris war und nach ihr suchte.
»Junge, Junge«, staunte Pitlit, als sie hinter dem Diener den großen Ballsaal betraten. »Eins muss man diesem Mondkaiser lassen. Der weiß, wie man ordentlich feiert.«
Jonan musste ihm beipflichten. Auf diese Opulenz gab es eigentlich nur zwei mögliche Reaktionen. Entweder erstarrte man vor Ehrfurcht und bewunderte den Glanz dieses Festes, oder es wurde einem schlecht bei dem Gedanken, wie gut es sich die francianische Elite gehen ließ, während wenige Kilometer entfernt Kinder in einer baufälligen Kirche hausten und desertierte Soldaten den einzigen Schutz der Menschen vor psychopathischen Banden darstellten. Aber warum sollte es am Hof des Mondkaisers anders sein als in den Reihen des Lux Dei? , dachte er.
Andererseits war er nicht gekommen, um ein Urteil über die Hofgesellschaft von Château Lune zu sprechen. Er suchte nach Carya. Und wenn sie sich wirklich frei im Schloss bewegen konnte, musste sie hier irgendwo sein. »Los, Pitlit«, sagte er. »Schauen wir uns mal um.«
»Ich nehme mir die Tanzfläche vor«, erwiderte der Straßenjunge eifrig.
»Na gut, dann werde ich sehen, was sich in den benachbarten Räumen befindet«, sagte Jonan. »Wir treffen uns gleich wieder hier.«
Während Pitlit sich begeistert in die Menge stürzte, schob sich Jonan am Rand des Raums entlang auf eine Tür zur Rechten zu. Eine kleine Gruppe Höflinge, die Teller mit Häppchen trugen, kamen ihm daraus entgegen. Er wollte gerade in den nächsten Raum eintreten, als urplötzlich die riesige Gestalt eines Mannes daraus auftauchte, den Jonan aus seiner Zeit in Arcadion nur zu gut kannte. Julion Alecander!
Jonan stoppte, als sei er soeben mit voller Wucht gegen eine Wand gelaufen. Ein Adrenalinstoß jagte durch seinen Körper. In seinem Geist rasten die Gedanken. Sollte er sich umdrehen und wegrennen? Sollte er vorher angreifen und versuchen, Alecander auszuschalten, um seinen Vorsprung zu erhöhen? Nein, beides war Wahnsinn. Er entschied sich für die dritte Lösung: nichts tun. »Paladin Alecander«, grüßte er den Mann tonlos, der ihn, obwohl Jonan alles andere als klein war, noch um einen halben Kopf überragte.
Auf dem Gesicht Julion Alecanders blitzten Überraschung und Erkennen auf. Im nächsten Augenblick hatte er sich wieder vollkommen unter Kontrolle, und
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