Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
bitte.«
Gemeinsam legten sie den Rest des Weges zu der Kammer zurück, in der sich eben die Ereignisse überschlagen hatten. Mittlerweile war der Raum voller Gardisten, während sich einige Schaulustige am Rand drängten. Pitlit stand etwas verloren in einer Ecke. Aber zumindest hatte man ihn nicht verhaftet. Sogar seinen Revolver trug er noch, allerdings steckte er nun in seinem Hosenbund. Der Mondkaiser unterhielt sich mit einem Höfling und einem uniformierten Mann, dessen Schulterklappen ihn als hohen Offizier auswiesen. Unterdessen wurden die Leichen der drei Getöteten auf Bahren davongetragen.
Julianne Factice befand sich nicht mehr im Raum. Vermutlich war sie bereits abgeführt worden. Und auch Aurelie und ihre Hofdamen suchten Caryas Augen vergeblich. Vielleicht hatten sich die Frauen zurückgezogen, um sich von dem Schock zu erholen.
Der Mondkaiser hob einen behandschuhten Arm und winkte Carya näher. Ungefragt schloss Pitlit sich ihr an. »Hast du Cartagena erwischt?«, fragte er sie flüsternd.
Carya schüttelte den Kopf. »Es war jemand schneller. Ich erzähle dir alles später.«
»Mademoiselle Diodato«, sprach sie der Kaiser an. »Dies hier sind Minister de Funès, mein neuer Minister für innere Angelegenheiten, und Général Valeureux. Ihnen beiden werden Sie nun ohne jede Auslassung schildern, was Sie an meinen Hof geführt hat und in welcher Beziehung Sie zu Botschafter Cartagena, Minister Justeneau, Ministerin Factice, der Sondergesandten Arida und meinem Sohn Alexandre standen. Daraufhin werden beide mir Bericht erstatten, und ich werde mir ein Urteil bilden.«
»Ich habe Euch das Leben gerettet«, erinnerte ihn Carya, auch wenn ihr bewusst war, dass das aus dem Mund der Frau, die ihn beinahe ermordet hätte, seltsam klingen musste. »Und eine Intrige aufgedeckt, die das Bündnis zwischen Francia und dem Lux Dei zerstören sollte.«
»Diese Umstände werde ich in mein Urteil einbeziehen.«
»Was ist mit Jonan und Pitlit, meinen Freunden?«
»Auch über sie werde ich nachdenken.«
Carya runzelte die Stirn. Ihr war klar, dass ihre nächsten Worte respektlos gegenüber dem Herrscher von Francia klingen würden, aber sie war des schönen Scheins mittlerweile überdrüssig. »Ich hoffe, Ihr habt nicht vor, uns wieder einzusperren oder gar hinrichten zu lassen, nur weil wir …«
»Kein Wort mehr«, unterbrach sie der Kaiser. »Nicht hier. Und, nein, es wird niemand mehr sterben, wenn es sich vermeiden lässt. Es gab bereits genug Tote.«
»Wo ist Jonan überhaupt?«, wollte Pitlit wissen. »Wenn ich mich nicht täusche, wollte er mit dem Paladin sprechen.«
»Er sprach mit mir«, antwortete der Kaiser. »Und das war gut so. Gegenwärtig befindet er sich auf einer sehr speziellen Mission für mich. Er wird bald zurückkehren – hoffe ich.«
Die nächsten Stunden verbrachten Carya und Pitlit mit de Funès und Valeureux. Während der General sehr nüchtern seine Fragen stellte, wirkte der Minister wie ein Mann von einigem Verständnis. Carya hatte das Gefühl, dass er ein gutes Herz besaß, und da Pitlit ihr von ihm erzählt hatte, konnte sie sich gut vorstellen, wie er heimlich aus dem Palast schlich, um Straßenkinder mit Lebensmitteln zu versorgen.
Sie tischte den beiden Männern eine detailreiche Geschichte darüber auf, dass sie in ihrer Heimat Arcadion an ihrem sechzehnten Geburtstag erfahren habe, nur die Ziehtochter ihrer Eltern zu sein, die sie in der Wildnis gefunden hatten. Die Suche nach ihren richtigen Eltern habe sie nach Paris geführt. Dort sei sie Cartagena begegnet, der ihr angeboten habe, ihr zu helfen. Im übrigen Teil ihrer Erzählung hielt sie sich mehr an die Wahrheit, denn sie sah keinen Anlass, die Machenschaften von Cartagena, Justeneau und der Sondergesandten Arida geheim zu halten.
Was sie über Magister Milan herausgefunden hatte, verschwieg sie allerdings ebenso wie ihr letztes Gespräch mit Paladin Alecander. Außerdem versuchte sie, die Beteiligung von Julianne Factice ein wenig herunterzuspielen. Irgendwie mochte sie die Invitro-Frau, und nach dem belauschten Gespräch zwischen ihr und Cartagena bezweifelte sie, dass diese von den Plänen des Botschafters Carya betreffend gewusst hatte. Außerdem gehörte auch Carya nun zu der gefährdeten und unterdrückten Gruppe der Künstlichen, und sie wollte Factice, die ihrer Meinung nach nicht aus Machtgier, sondern aus verzweifelter Notwendigkeit gegen das Bündnis mit dem Lux Dei angekämpft hatte, nicht
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