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Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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das Publikum bereits in Scharen eingefunden. Während sie von den Gardisten einen abschüssigen Gang hinunter zu dem Podest geführt wurden, fühlte sich Carya unangenehm an ihr Erlebnis in der Richtkammer in Arcadion erinnert. Der einzige Unterschied lag letztlich nur darin, dass sie statt sieben Richtern nur einem gegenüberstehen würde, doch dafür einem, der mehr Macht in sich vereinte als Großinquisitor Aidalon und all seine Lakaien zusammengenommen.
    Carya ließ ihren Blick über die Menge schweifen. Es handelte sich um die üblichen Höflinge. Vermutlich war dieses Spektakel für sie nicht mehr als kurzweilige Abendunterhaltung, genau wie der gestrige Ball. Rechts unten im Raum gab es eine Art Loge, in der Carya Alexandre, Aurelie, Minister de Funès, Général Valeureux und ein paar weitere Berater des Kaisers erblickte. Der Prinz wirkte ein wenig mitgenommen. Ein Verband zierte seinen Kopf, den er mehr schlecht als recht mit einer staatsmännisch wirkenden Perücke zu kaschieren versuchte. Er machte ein Gesicht, als habe er ein unfreiwilliges Bad in einer Jauchegrube genommen. Aurelie passte sich der Miene ihres Versprochenen vortrefflich an. Irgendwie geben sie doch ein schönes Paar ab , dachte Carya, ein schrecklich schönes.
    Und noch jemanden entdeckte sie, als sie das Halbrund erreichten. Er saß vorne auf einem der Stühle, die für die Angeklagten reserviert waren. »Jonan!«
    Er hob den Kopf und schaute zu ihr hinüber. »Carya.« Jonan stand auf und schloss sie in die Arme. »Ich bin so erleichtert, dich wohlauf zu sehen«, sagte er. »Mir wurde berichtet, was sich während meiner Abwesenheit zugetragen hat. Geht es dir gut?«
    »Ja.« Sie nickte und zwang sich zu einem beruhigenden Lächeln. »Alles in Ordnung soweit. Aber ich habe dir viel zu erzählen. Nachher.«
    »Ja, nachher«, stimmte er ihr leise zu.
    »Der Kaiser hat gesagt, du warst auf einer Spezialmission?«, warf Pitlit ein, während sie alle Platz nahmen.
    »So kann man es nennen.« Jonan grinste. Verschwörerisch beugte er sich zu ihnen hinüber. »Ich war in der Trümmerzone und habe den Prinzen aus einer Falle gerettet, die ihm Bonasses Kinder gestellt hatten.«
    »Oh.« Feixend schielte der Straßenjunge an Jonan vorbei zu Alexandre. »Das wird ihm nicht geschmeckt haben. Erst eure Schlägerei und jetzt das.«
    »Das hat es in der Tat nicht. Am liebsten hätte er mich umgebracht.«
    »Aber du hast ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.« Pitlit knuffte Jonan in die Seite.
    Der schüttelte den Kopf. »Nicht ich. Ein Blitzschlag.«
    »Wie bitte?«, mischte Carya sich ein.
    »Später«, raunte Jonan ihr zu und machte eine Geste zur Seite.
    Dort tauchte soeben Julianne Factice auf, die von einem Gardisten zu einem freien Stuhl neben den ihren geführt wurde. Schweigend setzte sie sich. Sie war erneut in ein geschmackvolles Gewand gekleidet, allerdings fehlte diesem der Glanz ihrer üblichen Garderobe. Anscheinend hielt sie eine gewisse Demut für angebracht, angesichts der Tatsache, dass sie hier als Angeklagte auftrat, nicht als Klägerin, wie noch wenige Stunden zuvor.
    So dreht sich das Rad des Schicksals manchmal schneller, als man denkt , ging es Carya durch den Kopf. Eben noch ein Herr, jetzt ein Sklave. Eben noch ein Mensch, jetzt eine … Sie konnte es noch immer nicht fassen, dass sie eine Invitro sein sollte. Vielleicht hatte Cartagena sie ja belogen. Dass er log, wenn er den Mund aufmachte, hatte er immer wieder bewiesen. Lass das , schalt sie sich. Ihre plötzlich erwachten Fähigkeiten, ihre Kenntnisse des Francianischen, die spielend leichte Manipulierbarkeit durch den Botschafter – all das sprach dafür, dass Cartagena hinsichtlich ihrer Herkunft die Wahrheit gesagt hatte.
    Eine Fanfare riss Carya aus ihren Gedanken. Sie sah sich um, konnte die Quelle der Musik aber nicht entdecken. Im nächsten Moment wurde ihre Aufmerksamkeit auf das vordere Halbrund des Saals gelenkt, an dessen Rand sie saß. Eine Tür in der rückwärtigen Wand öffnete sich, und der Mondkaiser schritt, von einer Art Herold und zwei Wachen begleitet, in den Raum.

Kapitel 40
    M it einem Rauschen von Stoff erhoben sich alle Anwesenden, um dem Kaiser Ehre zu erweisen. Carya, Jonan und Pitlit schlossen sich der Menge an. Während die Wachen an der Tür stehen blieben, stellte sich der Herold auf die Stufen des Podests. Der Kaiser selbst nahm auf dem Thron Platz. In seiner mächtigen Zeremonienrobe, mit der Maske und der Perücke sah er kaum

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