Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
bist dieser Bursche, der Enzo nach Arcadion gelockt hat, damit er dir hilft, dein Mädchen zu befreien.«
»Dieses Mädchen bin ich«, mischte Carya sich ein. »Und ich bin Enzo dankbar für alles, was er für meine Eltern und mich getan hat. Warum sind Sie deswegen so ungehalten?«
»Das will ich dir sagen, Kleine: Ich bin deshalb so ungehalten, weil ihr Enzo in eine Sache verwickelt habt, die ihn im Grunde nichts anging. Und was hat der Idiot gemacht? Er hat bei deiner Befreiung Blut geleckt und sich eingebildet, er könne in Arcadion eine Rebellion anzetteln. Er hat sich eingebildet, er sei wieder der junge Kerl, dem niemand etwas anhaben kann.«
Jonan spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. »Worauf wollen Sie hinaus?«
Sein Gegenüber an Bord des Bootes blickte ihn grimmig an. »Darauf, dass mein Bruder jetzt den Preis dafür bezahlt hat, sich auf euch eingelassen zu haben: Enzo ist tot!«
Kapitel 6
E nzo lebt nicht mehr?«, entfuhr es Jonan. »Wie konnte das geschehen?«
Lucenos Mundwinkel sackten nach unten. »Das weiß ich auch nicht genau. Er soll sich bei einer riskanten Flugblattaktion verschätzt haben und von der Stadtwache erwischt worden sein. Ich weiß nicht, ob die ihn erschossen haben oder er sich selbst, um nicht in Gefangenschaft zu geraten. Jedenfalls ist mein Bruder tot – weil er euch geholfen hat.«
»Oh, nein«, murmelte Carya.
»So eine Schweinerei«, fügte Pitlit hinzu.
»Hören Sie, ich verstehe, dass Sie traurig und wütend sind«, sagte Jonan. »Ich teile Ihre Trauer. Enzo war ein guter Mann. Sein Tod ist … ist schrecklich. Aber es war sein freier Wille, mit Professore Adara nach Arcadion zurückzukehren, um dort die Ascherose wiederauferstehen zu lassen. Wir hätten uns gewünscht, dass er mit uns in die Wildnis flieht, aber er sagte, er könne in der Stadt seine alten Talente sinnvoller nutzen, als wenn er hier auf dieser Insel säße. Also machen Sie nicht uns für sein Schicksal verantwortlich.«
»Hm«, brummte Luceno mürrisch. Doch er schien einzusehen, dass an Jonans Worten etwas Wahres dran war.
»Daher bitte ich Sie nun erneut um Ihre Hilfe«, fuhr Jonan fort. »Wir brauchen sie wirklich dringend, weil wir nicht wissen, an wen wir uns sonst wenden sollen. Sie müssen uns auch nicht aus Freundlichkeit oder Mitmenschlichkeit helfen, wenn Ihnen das widerstrebt. Lassen Sie uns einfach handeln. Wir geben Ihnen was, Sie geben uns was. Beide Seiten gewinnen.«
In Lucenos faltigem Gesicht arbeitete es, während er darüber nachdachte. Schließlich senkte er sein Gewehr. »Also schön. Was wollt ihr?«
Jonan gab Carya ein Zeichen, und die holte den Zettel mit den Koordinaten hervor. »Wir haben hier einen Satz Zahlen, von denen wir hoffen, dass es Koordinaten sind. Wir müssen wissen, wo der entsprechende Ort liegt und wie wir dorthin gelangen können. Leider verfügen wir über kein Kartenmaterial. Besitzen Sie zufällig Karten?«
Der Invitro nickte knapp. »Ja, schon.«
»Könnten Sie uns dann vielleicht einen Blick darauf werfen lassen? Oder – noch besser – uns eine dieser Karten überlassen?«
Erneut musste Luceno nachdenken. Jonan hatte schon erlebt, wie misstrauisch die Künstlichen waren. Auf den ersten Blick mochte das unhöflich wirken, aber wahrscheinlich mussten sie so sein, wenn sie in einer Welt, in der sie durch die Regierung zum Abschuss freigegeben waren, überleben wollten. »Gutes Kartenmaterial ist selten heute – und teuer«, sagte Luceno schließlich. »Ihr wolltet handeln. Was habt ihr denn zu bieten?«
Jonan und die anderen wechselten unsichere Blicke. Wirklich viel besaßen sie nicht. Außer … Jonan gab sich einen Ruck. Das mochte der Moment sein, auf den er gewartet hatte. »Einen Augenblick.« Er umrundete den Lastwagen und kletterte auf die Ladefläche.
Als er kurz darauf wieder nach draußen sprang, trug er seine Templerrüstung. Das Waffengeschirr war allerdings leer, und er hatte auch das Helmvisier nicht heruntergeklappt, um nicht zu bedrohlich zu wirken.
Lucenos Augen weiteten sich, und er schnappte sichtlich nach Luft. »Soll das ein Witz sein?«
»Nicht im Geringsten«, erwiderte Jonan. »Dies ist eine Klasse-3-Templerrüstung. Die Panzerung hat ein bisschen was abbekommen. Die Kraftverstärkerservos und die Helmelektronik sind allerdings in tadellosem Zustand. Dass die Energie langsam zur Neige geht, sollte für Sie wahrscheinlich kein größeres Problem darstellen. Insofern kann man sagen, dass die Rüstung noch voll
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