Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
irgendwelche Verfolger verraten könnte – nicht mal aus Bosheit, sondern womöglich aus purer Not heraus.
»Also dann«, verabschiedete sich der Invitro, der Enzo so ähnlich sah, als sie das Seeufer und die anderen wieder erreicht hatten. »Gute Reise, wo immer sie auch hinführt.« Er wirkte nicht mehr ganz so abweisend wie zu Beginn, aber er schien trotzdem froh, sie nun wieder los zu sein.
»Danke«, erwiderte Carya. »Auch Ihnen viel Glück. Und noch einmal mein Beileid zum Tod Ihres Bruders. Ich habe Enzo kaum gekannt, aber ich verdanke ihm mein Leben. Das werde ich nie vergessen.«
»Hm«, brummte Luceno. »Schon in Ordnung, gib jetzt einfach besser darauf acht. Und wenn ihr die Gelegenheit dazu habt … tretet dem Lux Dei kräftig in den Arsch. Die Scheißkerle haben es verdient.«
»Wir geben uns Mühe«, sagte Jonan.
Sie warteten, bis der Invitro mit seinem Boot wieder abgelegt hatte, dann versammelten sich alle um den Navigator.
»Ich erinnere mich noch daran«, sagte Edoardo Diodato. »Mein Vater hatte so ein Gerät, als ich ein Kind war. Aber es lag nutzlos in einer Schublade, weil es nach dem Sternenfall nicht mehr funktionierte. Außerdem war Energie zu wertvoll, um sie für einen Apparat zu verschwenden, der uns ohnehin nichts brachte, weil wir nicht wussten, wohin wir hätten reisen sollen. Na ja, und dann wurde alles knapp, und wir haben ihn weggetauscht – für einen Laib Brot oder einen Stoß Holz; ich weiß es schon nicht mehr so genau.«
»Kann ich ihn mal haben?«, fragte Pitlit voller Neugierde.
»Ich weiß nicht, Pitlit«, sagte Jonan. »Dieses Gerät ist ziemlich wertvoll. Das gebe ich lieber nicht aus der Hand.«
»Glaubst du, ich kann mit Wertgegenständen nicht umgehen, oder was?«, entrüstete sich der Straßenjunge.
»Das ist es nicht. Ich will nur nichts riskieren. Vielleicht genügt schon ein falscher Knopfdruck, und wir löschen alle Karten auf dem Navigator. Ich möchte ungern Luceno bitten, sie uns erneut draufzuspielen.«
»Ihr traut mir echt gar nichts zu.« Pitlit schnaubte missmutig. Gleich im nächsten Moment glomm jedoch neuer Eifer in seinen Augen auf. »Dann gib wenigstens mal die Koordinaten ein, die Carya in ihrer Vision gesehen hat. Lass uns schauen, was dabei rauskommt.«
Jonan schüttelte den Kopf und schob den Navigator in die Tasche seiner Lederjacke. »Nicht jetzt. Wir sollten uns im Moment lieber wieder auf den Weg machen. Es wäre besser, wir erreichen Firanza noch vor Einbruch der Nacht. Mit etwas so Auffälligem wie diesem Lastwagen möchte ich nicht mitten in der Wildnis übernachten. Und in die Rasthöfe dürfen wir uns nicht wagen. Es besteht immer noch die Gefahr, dass der Lux Dei nach uns suchen lässt.«
»Ich bin derselben Meinung«, pflichtete Caryas Vater ihm bei, wenngleich es in Caryas Ohren ein wenig so klang, als sage er das nur, damit Jonan nicht ständig das Kommando und das letzte Wort hatte. Edoardo Diodato wandte sich der Fahrerkabine zu. »Komm, Andetta.«
»Darf ich jetzt mal fahren?«, rief Pitlit.
»Nein, mein Junge, jetzt bestimmt nicht«, sagte Caryas Vater. »Später vielleicht, wenn wir am Ziel sind.«
Der Junge schnaufte und kletterte auf die Ladefläche. »Ich hätte bei den Mutanten bleiben sollen«, murmelte er beleidigt. »Dort hat man mich wenigstens für voll genommen.«
Carya und Jonan stiegen ebenfalls ein, und der Lastwagen setzte sich rumpelnd in Bewegung. Während Caryas Vater ihr Gefährt zurück zur Nordhandelsstraße steuerte, sah Carya, dass Jonan den Navigator wieder hervorholte und daran herumspielte.
»Was machst du?«, wollte sie wissen.
»Ich rufe die Dateneingabe auf«, antwortete er. »Damit wir die Koordinaten überprüfen können.«
»Hast du nicht eben noch gesagt, jetzt sei der falsche Zeitpunkt dafür?« Irritiert rückte sie neben ihn, und auch Pitlit gesellte sich zu ihnen.
»Das war es auch«, sagte Jonan. Er blickte Carya ernst an. »Versteh das bitte nicht falsch, aber ich wollte nicht, dass deine Eltern mitbekommen, was wir gleich erfahren werden. Für den Fall, dass wir uns in Firanza von ihnen trennen, ist es besser, wenn sie nicht wissen, wohin wir gehen. Es ist genau das Gleiche wie mit Luceno.«
»Du kannst meine Eltern doch nicht mit Luceno vergleichen!«
»Nein, vermutlich hast du recht. Sollte uns jemand suchen – und davon müssen wir ausgehen, denn Aidalon klang auf dem Quirinalsplatz sehr entschlossen, sich an uns zu rächen –, wird derjenige das Geheimnis unseres
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