Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
funktionsfähig ist. Wenn Sie uns helfen, vermache ich sie der Enklave. Ich weiß, dass Sie eigentlich nur Frieden wollen und daher keinen Bedarf an Kriegsgerät haben. Aber als der Soldat, der Sie mal waren, wissen Sie bestimmt, dass es nicht schaden kann, Kriegsgerät zu besitzen, um sein Hab und Gut, ganz zu schweigen vom eigenen Leben, im Notfall zu verteidigen.«
In Lucenos Augen trat ein eigentümlicher Glanz. »Eins ist klar. Jetzt habt ihr meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Also gut. Ich hole ein größeres Boot. Dann könnt ihr zwei mitkommen.« Er deutete auf Jonan und Carya. »Aber keine Waffen. Und keine Tricks. Wenn ihr meinen Bruder gekannt habt, wisst ihr, dass wir noch nicht zum alten Eisen gehören, auch wenn wir so aussehen mögen.«
»Keine Sorge«, sagte Jonan. »Den Gedanken hatte ich keine Sekunde lang.«
Wenige Minuten später setzten Carya und Jonan zusammen mit Luceno zur Insel über. Die graubraunen Steinhäuser mit den roten Dächern, die in einer Reihe das baumbestandene Ufer säumten, wirkten so rustikal und heimelig, dass Carya ganz wehmütig ums Herz wurde. Hinter den Häusern erstreckte sich ein Hain aus Olivenbäumen bis hinauf zur grünen Hügelkuppe, auf der zwei kleine Kirchen aufragten. Das burgähnliche Anwesen, von dem Jonan ihr erzählt hatte, war nicht zu sehen. Es befand sich auf der anderen Seite des Inselbuckels.
Luceno legte mit seinem Boot an einem Pier an, an dem auch das andere, kleinere Boot vertäut war, mit dem er sie begrüßt hatte. Am Ufer daneben ruhte ein knallrotes Gefährt auf dem Gras, das offenbar durch Pedale mit Muskelkraft angetrieben wurde.
Sie gingen an Land, was Jonan, der nach wie vor die Templerrüstung trug, weil sie sich so am besten transportieren ließ, nicht ganz leichtfiel. Doch mit einigem Ächzen gelangte auch er auf den Pier hinauf. Statt sich in Richtung der Südspitze zu wenden, wo die Burg lag, marschierte Luceno, das Gewehr geschultert, energischen Schrittes auf eines der Gebäude am Ufer zu. Dem Äußeren nach handelte es sich um eine Werkstatt, ein kastenförmiges, einfaches Bauwerk mit großer Tür und flachem Dach, auf dem seltsam blausilbrige Platten im Sonnenlicht glitzerten.
Das Innere war gefüllt mit Gerätschaften, die Carya vollkommen unbekannt waren. Auf dem Boden und auf stabilen Arbeitstischen stapelten sich graue und schwarze Kästen, manche schlank und mit elegant geschwungenen Linien, andere klobig und schwer aussehend. Flache Rechtecke, die Carya an die Anzeige in der Kapsel erinnerten, hingen an den Wänden, und überall lagen Leitungen herum. Sie zogen sich von Gerät zu Gerät, ballten sich unter dem Tisch zu dicken Knäueln und verliefen die Wände hinauf und die Decke entlang. Es herrschte ein furchtbares Chaos. Wie in dem geheimen Labor eines verrückten Erfinders , ging es Carya durch den Kopf.
»Stell dich mit dem Anzug dort drüben in die freie Ecke«, wies der Invitro Jonan an. »Du kannst ihn schon mal ausziehen. Ich denke, dass wir uns handelseinig werden.«
Während Jonan der Anweisung nachkam, ging Luceno zu einem der grauen Kästen hinüber und ließ sich davor auf einen Bürostuhl sinken, der bedenklich quietschte. »Dann wollen wir mal sehen.« Er drückte ein paar Knöpfe, und auf einmal kam Leben in das Durcheinander. Farbige Lämpchen blinkten auf, in den Gehäusen einiger Geräte fing es an zu surren, und mehrere Anzeigetafeln an den Wänden wurden gleichzeitig hell. Unverständliche Zahlen- und Zeichenketten rollten darüber hinweg.
»Was ist das alles hier?«, wollte Carya wissen.
»Das sind Computer«, sagte Luceno. »Alte Maschinen aus der Zeit vor dem Sternenfall. Wir haben sie gesammelt, zum Teil repariert und nutzen sie nun für unsere Arbeit. Das alles hier mag nach nicht viel aussehen, aber du dürftest in diesem Raum das vermutlich fortschrittlichste Rechenzentrum vor dir haben, das es im ganzen Einflussbereich des Lux Dei gibt. Was nur ein weiterer Beleg dafür ist, wie traurig unsere Gegenwart ist.« Er lachte freudlos.
»Und darauf haben Sie Kartenmaterial?«, fragte Jonan, während er sich aus seinem Anzug schälte.
»Ganz richtig«, erwiderte Luceno. »Es handelt sich um alte Navigationsprogramme, die vor dem Sternenfall in Fahrzeugen verwendet wurden und dem Fahrer dabei halfen, immer den richtigen Weg zu finden. Natürlich funktionieren sie nicht mehr ganz so gut wie früher. Die Navigationssatelliten im Orbit, die man zur Echtzeitpositionsbestimmung benötigt, wurden in
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